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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1997/0123
»Es war wie überall, eben kleiner« - Französische Besatzung in Burladingen (1945-1948)

Parteistellen Weisungen entgegenzunehmen. Einmütig haben die Burladinger beschlossen,
den Ort nicht zu verlassen, aber wie ein Alptraum lastete auf allen die Sorge, was der Schlußkampf
noch bringen werde«55.

Bereits am 2. April 1945 enthielten die »Hohenzollerischen Blätter« einen Aufruf der
NSDAP-Kreisleitung, der an die Bevölkerung des Kreises Balingen-Hechingen gerichtet war.
»Durch den Einsatz motorisierter Kräfte gelingt es oft dem Gegner, überraschend in Gegenden
vorzustoßen, die sich bis dahin in guter Sicherheit gefühlt haben. Um für alle möglichen
Fälle vorbereitet zu sein, und um jedem einzelnen und uns allen sinnlose Handlungen zu ersparen
, ist es zweckmäßig, wenn sich jeder auf den Ernstfall vorsorglich vorbereitet. Es ist befohlen
, daß dort, wo eine Räumung notwendig wird, dieselbe total durchgeführt wird, das
heißt, daß die gesamte deutsche Bevölkerung diesen Raum aus bestimmten militärischen
Gründen verläßt. Jedermann hat sich ab sofort auf den Ernstfall vorzubereiten. Vom zuständigen
Ortsgruppenleiter und Bürgermeister erfährt er die Möglichkeit des Transports und des
Sammelplatzes. Bei der Masse der Umzuquartierenden ist es klar, daß in erster Linie die Fahrmöglichkeiten
körperlich schwachen Volksgenossen, besonders Frauen mit kleinen und
Kleinstkindern, vorbehalten bleiben müssen. (...)

Für jede Person ist zunächst das notwendige Umquartierungsgepäck zu richten. (...)

Je nach Beförderungsmöglichkeit kann das Gepäck um ein weniges vermehrt werden. Die
Bekleidung muß gut und zweckmäßig sein. Lebensmittel sind im Beutel im weitesten Umfange
mitzunehmen.

Als Führung und Begleitung sind die notwendigen Kräfte bestimmt. Es sind aber auch die
Kräfte bestimmt, die als Volkssturmangehörige zurückzubleiben haben.

Wenn die Umquartierung nicht nötig wird, dann wollen wir uns alle freuen. Wird sie notwendig
, so sind wir rechtzeitig vorbereitet und können trotz aller Schwere in Ruhe die notwendigen
Maßnahmen treffen«56.

Dieser Aufruf des Kreisleiters, der sich nur an die deutsche Bevölkerung, nicht an die ausländischen
Fremdarbeiter richtet, wirkt aus heutiger Sicht, bedingt durch die detaillierte Auflistung
der Dinge, die Mutter und Kind mitzunehmen hatten, lächerlich.

Weshalb mußten nur Mütter und Kinder Umquartierungsgepäck vorbereiten? Was nahmen
die älteren Frauen und Männer mit, die sich in den einzelnen Gemeinden befanden?
Konnte man diesen Personen die Wahl ihres Gepäcks selbst überlassen, während jüngeren
Frauen die Auswahl diktiert wurde und sie dadurch als unselbständig und verantwortungslos
dargestellt wurden? Ging die Partei von vornherein von der Tatsache aus, daß es sich bei einer
Evakuierung um die Dauer von zwei bis drei Tagen handeln würde, oder weshalb genügte es,
daß die Frauen »zwei Hemden und Schlüpfer« mitnehmen sollten?

Wie lassen sich all diese Vorschriften mit dem Faktum in Verbindung bringen, daß die
Frauen in den Kriegsjahren auch alleine zurechtgekommen und gewohnt waren, selbständig
Entscheidungen zu treffen? Sie hätten zweifelsohne gewußt, was im Falle einer Evakuierung
mitzunehmen wäre, sie hätten auch ohne die Anweisungen der NSDAP sinnvoll und verantwortungsbewußt
handeln können.

In Burladingen wird die Evakuierung der Gemeinde heute keineswegs als ein wichtiges Ereignis
der letzten Kriegstage erinnert, in den Gesprächen nur beiläufig erwähnt. »Nach Münsingen
hätte die Gemeinde evakuiert werden sollen. Da haben sich die Burladinger gewehrt«57.
»Da weiß ich jetzt nichts vom Evakuieren. Es gab damals auch viele Gerüchte, aber das war
nichts Ernstes«58.

55 Burladinger Heimatbuch, S. 115.

56 Hohenzollerische Blätter, 2.4.1945.

57 Interview mit Herrn A. am 22.1.1991.

58 Interview mit Frau B. am 18.2.1991.

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