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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1997/0124
Ute Weidemeyer-Schellinger

Ausschließlich die historischen Quellen verweisen darauf, daß dieses bevorstehende Ereignis
im Jahr 1945 die Bevölkerung beschäftigt hat. Das könnte einerseits die These bestätigen,
daß die Erinnerungen der Zeitzeugen/innen an das Kriegsende heute deutlich beschönigt erscheinen
. Auf der anderen Seite war die Evakuierung damals wahrscheinlich ein solch nebensächliches
Ereignis, daß die Bevölkerung ihr bereits in der Realität keine besondere Bedeutung
beigemessen hat. Es ist auch davon auszugehen, daß Geschehnisse, die mit der bevorstehenden
Besetzung Burladingens in Zusammenhang standen und jeden Bewohner persönlich
betroffen haben (beispielsweise das Verstecken der Wertsachen und NS-Symbole) zum damaligen
Zeitpunkt wesentlich relevanter waren und folglich im Zentrum der heutigen Erinnerung
stehen. »Noch drei Tage vor dem Einmarsch in Burladingen hielt der Kreisleiter Uhland
in Hausen im Killertal mit den Ortsgruppenleitern und den Bürgermeistern der umliegenden
Ortschaften eine Versammlung ab. An diesem historischen Tage<, wie ihn der Kreisleiter
nannte, verkündete er, daß Burladingen verteidigt werde, und ordnete wiederholt die Räumung
des Ortes an. Das Vieh sollte auf Feld- und Waldwegen in die Gegend von Münsingen
getrieben werden. Riedlingen war schon von den Amerikanern besetzt, und seine Umgebung
wurde zum Friedhof für Hunderte in diese Gegend flüchtender Autos. Damals kam es jedem
so recht zu Bewußtsein, wie sehr der Mensch mit allen Fasern seines Herzens an der Heimat
hängt, und alle schworen, lieber in der Heimat zugrunde zu gehen, als Haus und Herd zu verlassen
. Das gab auch der damalige stellvertretende Bürgermeister Alois Ritter dem Kreisleiter
gegenüber zu verstehen«59.

Im »Schwäbischen Tagblatt« wurde im Juni 1946 berichtet, daß mit dem Kriegsende »ein
irrsinniger Zustand zu Ende gegangen« sei, »nachdem kurz vorher die damals etwa 4000 Einwohner
zählende Gemeinde eine Gesamt-Evakuierung, die bereits angeordnet war, befürchten
mußte. Wie sehr der Mensch die Scholle liebt und an der Heimat mit den tiefsten Empfindungen
seines Herzens hängt, hat man erst klar begriffen, als es hieß: Burladingen muß
geräumt werden. Als man nicht wußte, wonach man zuerst greifen sollte und als jeder schwor,
lieber in der Heimat zugrunde zu gehen, als Herd und Boden zu verlassen. Gott sei Dank waren
die Männer, die etwas zu sagen hatten, verantwortungsbewußt genug, um dieses Chaos
aus eigener Initiative zu unterbinden«60.

In beiden Berichten kommt deutlich zum Ausdruck, daß kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges
trotz vager Verhältnisse niemand die Heimat verlassen wollte. Auch wenn man nicht
wußte, was beim Einmarsch der alliierten Truppen und der sich anschließenden Besatzung im
einzelnen auf die Bevölkerung zukommen sollte, wollte man »lieber in der Heimat zugrunde
gehen, als Herd, Haus und Boden zu verlassen«. Zudem zeigen die Aufzeichnungen, daß der
Kreisleiter und die Parteistellen der NSDAP in den letzten Tagen vor dem Einmarsch der
Franzosen keine Autorität gegenüber der deutschen Bevölkerung mehr besaßen und man sich
deren Anordnungen widersetzen konnte.

2.1.2. »DIE WOLLTEN NOCH SCHIESSEN, GERADE DIE ALTEN NAZIS«

Auch in den letzten Tagen und Stunden der offiziellen Naziherrschaft hatte für die Partei die
Verteidigung der Heimat Handelspriorität. Die Nationalsozialisten versuchten, als »letztes
verzweifeltes Mittel«61 aus den in der Gemeinde verbliebenen 16- bis 60jährigen Männern einen
Volkssturm zu erstellen, während ein Großteil der Bevölkerung überzeugt war, daß Hitler
eine Wende des Krieges zugunsten der Deutschen zu diesem Zeitpunkt nicht mehr erreichen
könne.

Obwohl sicherlich auch Burladinger Bürger die Meinung vertreten haben, daß der Einmarsch
der französischen Truppen unter allen Umständen aufgehalten werden müsse, war der

59 Burladinger Heimatbuch, S. 115.

60 Schwäbisches Tagblatt, Juni 1946.

61 Burladinger Heimatbuch, S. 114.

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