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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1997/0125
»Es war wie überall, eben kleiner« - Französische Besatzung in Burladingen (1945-1948)

Volkssturm in den Erinnerungen der Zeitzeugen/innen von relativ geringer Relevanz, die
Sinnlosigkeit dieser Aktionen kurz vor Kriegsende wird hervorgehoben. Es war ja auch nur
allzu offensichtlich, daß dieses letzte militärische Aufgebot in der Heimat keine reelle Chance
gegen die französischen Besatzungstruppen gehabt hätte. »Das gab's. Aber ich glaube, der
Volkssturm ist nicht so eingesetzt worden. (...) Das ist ja gerade so hirnverbrannt, daß da so
kurz vorher vieles noch passiert ist, bevor alles vorbei war«62. »Weil so ein paar Verrückte da
waren, die gesagt haben, bis zum letzten Blutstropfen. Und wer war da? Frauen und Kinder
und alte Leute. Das war Irrsinn«63.

Herr A. übt mit seiner Erinnerung, daß »Dreihundertprozentige« im Burladinger Volkssturm
gewesen seien und »einer von den übriggebliebenen immer noch Uberzeugten«64 ihn
geleitet habe, deutliche Kritik an der Einrichtung des Volkssturms. »Das war für die beteiligten
Familien oder für die Männer natürlich schon schwer, wenn man den ganzen Krieg und alles
glücklich überstanden hatte. Das waren ja noch Alte oder Kranke, die man nicht einberufen
konnte, die nicht wehrfähig waren. Und dann hat man sie noch geholt. Oder die ganz Jungen
. Man hat eben gesagt, die hätten einen Wall bilden müssen gegen die nachrückenden
Truppen, wenn sie von Hausen heraufkommen, oder die anderen sind ja von Talheim heraufgekommen
, Richtung Salmendingen/Melchingen. Ihr müßt einfach die Gemeinde verteidigen
! Mit was? Mit unzureichenden Mitteln und unzureichendem Menschenmaterial. Das ist ja
Wahnsinn gewesen. Man kann sich das gar nicht vorstellen, aber so fanatisch ist eben am
Schluß ein Regime, wenn es meint... Deshalb muß man also froh sein, daß es damals so abgelaufen
ist, es hätte ebensogut anders gehen können«65. »An und für sich sind die Soldaten, die
hier gewesen sind, der Volkssturm, Gott sei Dank schnell gegangen, als die Franzosen gekommen
sind. Es war nämlich geplant, mein elterliches Haus als Panzersperre zu machen. Das ist
ja Blödsinn gewesen. Sie wollten das Haus in die Luft jagen und wollten dort eine Panzersperre
hinmachen. Die wollten noch schießen, gerade die alten Nazis. Wenn die noch den Volkssturm
oder etwas eingesetzt hätten, hätte ich nicht sehen wollen, was da los gewesen wäre.
Mein lieber Strohsack!«66

Scheinbar standen - so jedenfalls die heutige, möglicherweise selektive Erinnerung - selbst
die Mitglieder des Burladinger Volkssturms ihren Aktivitäten mit Skepsis und Zurückhaltung
gegenüber. »Und es war ja hier so, der X.Y. war auch in der Partei, hat auch die braune Uniform
angehabt, er war der Volkssturmführer. Aber als man den Volkssturm gebraucht hätte,
hat man ihn gar nicht ausrücken lassen. So schlau war der auch, daß er gesagt hat, wozu sollen
wir den Volkssturm herausschicken, wozu denn? Das bringt doch nichts mehr. Das haben die
doch alles eingesehen, daß das keinen Wert hatte«67.

Der Volkssturm und seine geplanten Aktionen werden heute ausschließlich als »hirnverbrannt
, Irrsinn, Wahnsinn, Blödsinn« erinnert. Erinnerungen an Nationalsozialisten, die dieses
militärische Aufgebot in der Heimat unterstützt haben, vielleicht sogar einen Sinn in den
Aktivitäten des Volkssturms gesehen haben, gibt es heute nicht. Demgegenüber betonen viele
Gesprächspartner/innen, daß man die deutsche Niederlage schon spätestens zu Beginn des
Jahres 1945 vorhergesehen habe, zum Teil auch die Bewegungen an den Fronten heimlich in
ausländischen Radiosendern mitverfolgt und das Ende des Krieges sehnlichst erwartet habe.
»Unsere Lage war vollständig aussichtslos, jedermann wußte, der Krieg ist endgültig verloren
«68.

62 Interview mit Frau B. am 18.2.1991.

63 Interview mit Herrn A. am 22.1.1991.

64 Ebd.

65 Ebd.

66 Interview mit Herrn E. am 15.5.1991.

67 Interview mit Herrn D. am 9.4.1991.

68 Burladinger Heimatbuch, S. 114.

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