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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1997/0127
»Es war wie überall, eben kleiner« - Französische Besatzung in Burladingen (1945-1948)

Der rasche Zusammenbruch der Front brachte es mit sich, daß die Entscheidung, ob eine
Gemeinde verteidigt werden sollte oder nicht, meist direkt vor Ort fiel und im allgemeinen
Durcheinander der bevorstehenden Besetzung praktisch keiner Rechtfertigung mehr bedurfte
. »Das kam jetzt auf die Truppenführer an. Wäre das ein verrückter Nazi gewesen, der noch
irgendeine Barriere errichtet hätte, wäre die Folge gewesen, daß die erste Panzerspitze auf
Feuer stößt. Und erst einmal Zunder von oben, so daß der halbe Ort in Flammen steht. Das
hätte leicht passieren können, wenn man sich gewehrt hätte«76.

In Burladingen gelang es dem stellvertretenden Bürgermeister, den Volkssturm in der
Nacht vor dem Einmarsch zum Abzug zu bewegen sowie zwei Burladinger Bürger zu überzeugen
, den Franzosen als Zeichen der kampflosen Ubergabe der Gemeinde mit weißen Fahnen
entgegenzugehen. »Da ist auch der Bürgermeister Alois Ritter gekommen und hat gesagt,
man muß etwas tun. Die Franzosen seien dort Richtung Ringingen und hätten schon hereingeschossen
. Er ist am Abend gekommen. Und dann habe ich ein Leintuch zerrissen und habe
Fahnen gemacht. Dann ist mein Mann in der Nacht schon hinaus, und da war's ruhig. Er ist
dann wiedergekommen, und dann sind sie morgens um fünf wieder hinaus, als es Tag war, damit
man die Fahnen gesehen hat. Als sie morgens wieder angefangen haben zu schießen, sind
sie hinausgegangen und haben die Fahne sehen lassen. Aber es war gefährlich, weil am Abend
vorher hier noch deutsche Soldaten gewesen sind, im Zinken draußen. Und da hat man auch
nicht gewußt, ob die noch etwas unternehmen«77. »Das hat der Max Scheu freiwillig gemacht,
soviel ich weiß. Er hat dann noch herumgefragt, ob noch jemand mit ihm geht, und dann ist
der Franz Betz noch mit ihm. Vielleicht haben sie auch Angst gehabt, aber es sind eben beherzte
Männer gewesen«78.

Die Burladinger Bevölkerung, die dem bevorstehenden Einmarsch der französischen Besatzer
mit Skepsis und Angst entgegensah, hat die vorhergehende Nacht größtenteils in den
Kellern ihrer Häuser verbracht. »Wir sind dann am Abend mit der Mutter - wir haben so einen
gewölbten Keller gehabt, in den man schon bei Alarm gegangen ist - in den gewölbten
Keller hineingeflüchtet. Man hat Angst gehabt«79. »Da waren wir schon im Hirschkeller; im
Gasthaus Hirsch war ein Bierkeller und da ist die Nachbarschaft auch immer bei Fliegeralarm
hin. Da sind wir vor dem Einmarsch gewesen«80.

Die Chronik der katholischen Pfarrgemeinde Burladingen beinhaltet einen detaillierten
Bericht über die Ereignisse der letzten Kriegstage. »Die Leute lebten naturgemäß in großer
Angst wegen der Dinge, die kommen sollten. Viele schliefen des Nachts nicht mehr in ihren
Wohnungen, sondern hielten sich im Keller auf. Besonders war der Bierkeller der >Linde< und
der Raum unter dem Lindensaal von vielen bewohnt. Auch der Keller an der alten Steige nach
Hermannsdorf bot bei Nacht manchen Schutz. In Verstecken, besonders eingegraben in den
Gärten, in der Scheune, in der Kirche mit ihren verschiedenen Räumen, im Pfarrsaal, im Turm,
in der alten Kirche, überall wurden Kleider, Wäsche, Geschirr und vieles andere versteckt. (...)
Die Arbeit in den Fabriken hörte schon Mitte April auf, weil kein Rohmaterial vorhanden war
und jede Verkehrsmöglichkeit fehlte. Die Bahn stellte ab 18. April den Betrieb ein. Die Post
und alle Zeitungen blieben aus. Die letzten Radiomeldungen besagten, französische Truppen
hätten von Horb aus Donaueschingen besetzt und seien bis zur Schweizer Grenze durchgestoßen
. Gerüchteweise wurde verbreitet, Hechingen, Ebingen und Sigmaringen seien besetzt.
Die Partei verbrannte, was ging, der Volkssturm wurde aufgelöst, alles war in banger Erwartung
der kommenden Dinge. Die Bedrohung durch französische Besatzungstruppen war Mitte
April immer größer geworden. Der Durchbruch der Franzosen durch den Schwarzwald

76 Interview mit Herrn G. am 29.4.1991.

77 Interview mit Frau C. am 12.3.1991.

78 Interview mit Frau G. am 29.4.1991.

79 Interview mit Frau E. am 15.5.1991.

80 Interview mit Frau G. am 29.4.1991.

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