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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1997/0128
Ute Weidemeyer-Schellinger

von Baden-Baden nach Freudenstadt über Horb nach Tübingen bedrohte die Pfarrei immer
mehr. Am Sonntag, den 22. April, kamen die Reste der deutschen Division >Bärenstall< von
Hechingen her in unsere Gemeinde. Der Divisionsgeneral war gefallen, die Division befehligte
ein Oberst, der bei Fabrikant X.Y. einquartiert war. Der Nachrichtenstab mit drei Offizieren
und zwei Mann lag im Pfarrhaus. Von Sonntag früh an war reger Betrieb. Verwundete
französische Gefangene wurden eingebracht und verhört, darunter ein Tunesier. Sie wurden
im Kinderhaus verpflegt und verbunden. Dort war eine Belegschaft von circa 30 Mann«81.

Einen vergleichbaren Gesamteindruck der letzten heimatlichen Kriegsereignisse, die bereits
bekannten Fakten ergänzend, vermittelt der Autor des Heimatbuches: »Am 18. April erreichten
französische Einheiten das hohenzollerische Unterland. (...) Immer näher kam die
feindliche Front, und eine alarmierende Nachricht jagte die andere. Die Lagerhäuser gaben die
vorhandenen Vorräte an Getreide der Bevölkerung ab, ebenso konnte vom Sägewerk Pfister
jede Haushaltung eine bestimmte Anzahl von Brettern erhalten, und viele Zentner Rohtabak,
die in Burladingen verlagert waren, wurden noch schnell an die einzelnen Kaufläden ausgegeben
und billig verkauft. Auf diese Weise wurden die Vorräte dem Zugriff der feindlichen
Wehrmacht entzogen. Spätere Ansprüche der Eigentümerin, einer norddeutschen Firma und,
wegen der entgangenen Steuer, der Zollbehörde mußten der Härte der Tatsachen weichen.
Drei Tage vor dem Einmarsch der französischen Truppen erfolgten noch wiederholte Durchmärsche
deutscher Truppen durch Burladingen. 300 Mann Infanterie wurden für zwei Tage im
Lindensaal einquartiert, und für den nächsten Tag war die Versorgung einer stärkeren Truppe
mit Brot angeordnet. Im Forst fuhr die Artillerie auf, eine Batterie nahm Stellung im >Kessel<
und eröffnete das Feuer in Richtung Ringingen. Zum Glück mußte sie am Abend des 23. April
aus Munitionsmangel ihre Stellung aufgeben und abziehen«82.

Eine Interviewpartnerin erinnert sich an die Ausgabe von Getreide an die Bevölkerung
kurz vor dem Einmarsch: »Ein Onkel von uns hat bei uns Frucht (Getreide, d.V) verlagert gehabt
. Und die hat man ausgegeben, noch einen oder zwei Tage vorher. Also ich konnte nichts
verstecken vor dem Einmarsch, ich habe gar keine Zeit mehr gehabt. Ich mußte aufschreiben,
wer Frucht gekriegt hat«83.

Frau F. berichtet, daß ihr Vater - Besitzer einer Fabrik, in der ein Marinelager untergebracht
war - kurz vor dem Einmarsch Schuhe und Koffer aus dem Lager ausgegeben hat. »Wir
hatten dann ja keine Arbeiter mehr, und man hat das Gebäude an die Marine vermietet gehabt.
Und da waren hunderte, tausende Marine-Uniformen drin, hauptsächlich Offiziersbekleidung
. Und auch Schuhe und Koffer, so große Überseekoffer. (...) Mein Vater hat dann auf eigene
Verantwortung, bevor die Franzosen kamen, drei oder vier Tage vorher, Schuhe aus dem
Marinelager an die Leute hier ausgegeben. Weil man ja keine Schuhe und nichts hatte. Dann
hat mein Vater gesagt, warum soll man jetzt den Franzosen die Schuhe in die Hände geben
und die Leute hier laufen praktisch barfuß. Aber das war auf eigene Verantwortung. Wenn der
Krieg wieder zurückgegangen wäre, dann wäre mein Vater dran gewesen. Das ging dann auf
Bezugsscheine, damit jeder etwas bekommen hat. Man hat dann die Schuhe ausgegeben und
auch die Koffer. Die Leute sind dann bei Nacht gekommen, und wir waren dann so zu sechst
oder siebt und haben immer Koffer herausgegeben. Und dann haben die Leute ihre ganzen
Habseligkeiten in die Koffer getan. Dann kamen die Franzosen, kamen unten herein in den
Keller und haben gleich die ganzen Koffer mitgenommen. Dann war das auch wieder
schlecht«84.

Was sich am 23. April 1945, einen Tag vor dem Einmarsch der Franzosen in Burladingen
ereignet hat, dokumentieren insbesondere die beiden historischen Quellen. »Am Montag

81 Chronik, der katholischen Pfarrgemeinde Burladingen.

82 Burladinger Heimatbuch, S. 115.

83 Interview mit Frau C. am 12.3.1991.

84 Interview mit Frau F. am 16.4.1991.

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