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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1997/0129
»Es war wie überall, eben kleiner« - Französische Besatzung in Burladingen (1945-1948)

wurden die Morgengottesdienste wie üblich in der St. Georgskirche abgehalten. Gegen Mittag
wurde die Lage immer bedrohlicher. Die feindlichen Panzerspitzen waren von Talheim über
Melchingen, Salmendingen vorgedrungen und rollten gegen Ringingen vor. Der deutsche
Nachrichtenstab wurde alarmiert und machte sich marschbereit. Die bei Gauselfingen aufgestellten
Geschütze fingen an zu schießen. Ein Panzer fuhr beim Gasthaus zur >Rose< auf. Die
französischen Panzerspitzen rückten vom Mettenberg her abends gegen sieben Uhr auf das
Dorf zu. Zwei Panzer wurden in der Nähe der Schlichtekapelle bei der Bahnlinie von dem
deutschen Panzer, der bei der >Rose< stand, abgeschossen. Darum zog sich die nachrückende
Infanterie wieder in die Wälder zurück. Die Besetzung konnte an diesem Tag nicht stattfinden
, die deutschen Truppen rückten aber in der Nacht ab. Der Bürgermeister und der Führer
des Volkssturmes fanden einige beherzte Männer, die in der Nacht am Ausgang des Dorfes gegen
Hausen und gegen Ringingen weiße Fahnen zeigten«85.

Die gleichen Ereignisse aus Sicht des Autors des Heimatbuches, der als Zeitzeuge in seinen
Bericht die damaligen Gefühle der Burladinger/innen einfließen ließ und aus einer anderen
Perspektive erzählt: »Am Nachmittag des 23. April kamen neue militärische Einheiten mit
dem Divisionsstab ins Ort, und am Abend stand eine weitere Batterie Artillerie in der Nähe
der Reparaturwerkstätte Entreß in lebhaftem Gefechtsfeuer gegen feindliche Einheiten in
Richtung Ringingen und Hausen, während kleinere Infanterie-Truppen französische Vorposten
unter Feuer hielten. Posten wurden aufgestellt und Anordnungen zur Straßensperre getroffen
. Beim Steinbruch des hiesigen Bürgers Anton Scheu in der Nähe von Ringingen hielten
die Franzosen Feld-Nachtlager. Die Situation sah sehr kriegerisch aus.

Tiefe Niedergeschlagenheit bemächtigte sich der Bevölkerung. Sollte Burladingen wirklich
verteidigt werden? Wie durch ein Wunder war der große Fabrikort bisher vom Bombenkrieg
verschont geblieben und sollte jetzt, am Ende des Krieges, seiner Vernichtung entgegensehen?
Überall sah man auf den Straßen und Gassen größere und kleinere Gruppen von Menschen
beisammenstehen, die sich im Gefühle drohenden Unheils in Mutmaßungen ergingen, was die
kommende Nacht und der folgende Tag bringen werden.

Lebensmittelvorräte, Silberbestecke, Schmuckgegenstände, Geld und dergleichen wurden
versteckt oder in der Erde vergraben, und überall verbrannte man Hitlerbilder und andere Erinnerungen
an die Nazizeit.

Zum Glück gelang es dem stellvertretenden Bürgermeister Alois Ritter, dem Volkssturmführer
Fabrikant Alois Mayer und anderen maßgeblichen Persönlichkeiten, nach Verhandlungen
auf dem Rathause die deutschen Kampftruppen noch in der Nacht zum Abzug zu bewegen
und damit das große Unheil von der Gemeinde abzuwenden. Gegen elf Uhr nachts waren
die Truppen abgezogen. Die meisten Bewohner verbrachten die Nacht aus Angst vor einer
Beschießung in den Kellern und Luftschutzräumen. Alois Ritter fiel die Aufgabe zu, das Dorf
dem Feinde kampflos zu übergeben und die Weisungen desselben entgegenzunehmen.
Zunächst beauftragte er zwei beherzte Männer, Franz Betz und Max Scheu, dem Feinde entgegenzugehen
und zum Zeichen der kampflosen Übergabe des Fleckens an weithin sichtbaren
Stellen weiße Flaggen anzubringen«86.

Trotz der unsicheren Verhältnisse, der unzähligen Ängste und Zweifel mangelte es den
Burladingern/innen kurz vor dem Einmarsch der Besatzer keineswegs an Zeit und Phantasie,
um ihre Wertsachen zu verstecken. »Ja, manche haben ihre Wertsachen versteckt. Ich habe ein
Kassenbuch versteckt. Glauben Sie, ich hätte es nachher wiedergefunden? Erst Wochen später
habe ich's wiedergefunden. Im Moment war man so verwirrt. (...) Also Geld hat man schon
gehabt, mein Mann und ich hätten schon ein Haus bauen können«87. »Gerade im Keller hat
meine Mutter vorsichtshalber auch solch einen Bretterboden hineingemacht, und unter den

85 Chronik der katholischen Pfarrgemeinde Burladingen.

86 Burladinger Heimatbuch, S. 115/16.

87 Interview mit Frau B. am 18.2.1991.

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