Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1997/0130
Ute Weidemeyer-Schellinger

Bretterboden haben wir - ich habe kurz vorher Schulentlaßfeier gehabt - das Täschchen, in
dem man ein bißchen Geld gekriegt hat, getan, und die schriftlichen Sachen auch dort versteckt
. Und in dem Keller haben sie (die Franzosen, d.V.) nichts getan. Da ist es wahrscheinlich
, wenn sie hereingekommen sind, zu dunkel gewesen. Da haben wir die Bretter hochgehoben
und Schmuck und schriftliche Sachen und - das graue Täschchen sehe ich heute noch - da
hineingelegt«88. »Viele Leute haben ihre Wertsachen eingegraben Ich habe auch noch eine Pistole
gehabt und habe zu meinem Vater gesagt: Versteck' sie ja gut, bis ich heimkomme! Dann
hat er sie versteckt, er hat sie sogar - in Ölpapier eingepackt - vergraben. Und als ich heimgekommen
bin, habe ich gesagt: Was ist? Ja, er habe sie versteckt, vergraben, er sage mir nicht
wo. Als er es mir dann gesagt hat, habe ich sie einmal ausgegraben und dann war sie total verrostet
. Dann hat sie auch keinen Wert mehr gehabt«89. »Wir haben unter dem Lindensaal noch
einen kleinen Raum gehabt, den Anstechraum. Und da haben die Nachbarn, als es geheißen
hat, der Franzose würde einmarschieren, haben sämtliche Nachbarn hier herum ihre Radios
gebracht, Besteck, alle diese Wertsachen, und das haben wir dann eingemauert. Der Vater hat
selbst einen Schrank heruntergestellt und unsere Anzüge gebracht und auch die Wertsachen.
Dann hat man das eingemauert, und man hat dann gar nicht gesehen, daß dahinter ein Raum
ist. Sie (die Franzosen, d.V.) seien wohl oft heruntergekommen und hätten an die Wand geklopft
, haben bei uns aber gar nichts herausgeholt. Und als der Krieg dann aus gewesen ist, hat
man die Mauern abgebrochen und dann hat jeder seine Sachen wieder holen können.«90.

Ein Gesprächspartner widerlegt die Erinnerungen an die raffiniert ausgewählten Verstecke
mit der Feststellung, daß die Burladinger zum damaligen Zeitpunkt kaum Wertgegenstände
besessen haben. »Wer hat denn schon Schmuck gehabt? Geld haben sie auch nicht viel gehabt,
und das hat dann auch nicht mehr viel Wert gehabt. Schmuck haben die Damen von den Fabrikanten
gehabt, die paar, aber was haben die anderen Leute gehabt? Die haben einen Fingerring
gehabt und vielleicht eine Halskette, und das war für ihre Verhältnisse schon wertvoll. Und
das hat man eben irgendwo versteckt. Hier haben die Leute eben ihre Häuschen gehabt und
ihre Landwirtschaft. Und was man gehabt hat, hat man dort hineinstecken müssen«91.

Als eine der letzten Aktionen vor dem Einmarsch - sozusagen das erste Moment einer
persönlichen Entnazifizierung - hat die Burladinger Bevölkerung die Hitlerfahnen, -bilder
und -Symbole, die nun ausgedient hatten, versteckt oder verbrannt. Die Interviewpartner/innen
stellen meist fest, daß sie daheim kein Hitlerbild hängen hatten, und daß sie schon aus diesem
Grund nichts mit der NSDAP zu tun gehabt hätten.

Aus heutiger wie damaliger Sicht eine typische Reaktion, denn genauso wie man heute nichts
mit dem Nationalsozialismus zu tun gehabt haben will, war dies auch bei Kriegsende der Fall;
eventuell aber auch ein zufälliges Resultat, das sich aus der Wahl der Gesprächspartner/innen
ergeben hat. »Ich glaube, jeder hat privat für sich die Bilder verbrannt, nicht irgendwo auf einem
Platz oder so. Das hätte man gar nicht riskieren können. Ich nehme an, jeder daheim für sich.
Also ich habe >Mein Kampf< gehabt und den hat mein Großvater - hinter sieben Mauern sagt
man im Schwäbischen - versteckt. Und als ich heimgekommen bin, hat er gesagt, das andere
hätte er verschwinden lassen, aber da habe er nicht gewußt, ob er das ... So hat man es eben gemacht
. Bei uns ist also nirgends im Haus ein Hitlerbild gehangen, was aber nichts Besonderes
heißen will. Aber das hätte mein Großvater gar nicht geduldet«92. »Das hat jeder gleich in den
Ofen gesteckt. Die Adolf-Hitler-Bilder mußte man ja scheinbar auch abliefern, wenn man welche
gehabt hat. Aber die meisten haben's gleich in den Ofen gesteckt und haben's gleich verbrannt
, und die Hitlerfahnen auch. Als man gehört hat, da kommen bald die Franzosen, hat je-

88 Interview mit Frau E. am 15.5.1991.

89 Interview mit Herrn D. am 9.4.1991.

90 Interview mit Herrn H. am 16.5.1991.

91 Interview mit Herrn A. am 22.1.1991.

92 Ebd.

118


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1997/0130