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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1997/0139
»Es war wie überall, eben kleiner« - Französische Besatzung in Burladingen (1945-1948)

aus und ließen sich von den Frauen die geraubte Beute braten. Dann aber besetzten sie die
Häuser, jagten die Insassen fort, plünderten und raubten, was ihnen wertvoll erschien. Das
Schlimmste aber brachte die Nacht. Sie schändeten Frauen, auch alte, und Mädchen, die vielfach
im Pfarrhaus und anderen Häusern Zuflucht suchten. Im Pfarrhaus wohnten in den beiden
ersten Nächten mehr als 60 Personen, im Kinderhaus mehr als 80. Niemand wagte sich
mehr auf die Straße«137.

»Besonders gefürchtet waren die Marokkaner, die es hauptsächlich auf die Frauenwelt abgesehen
hatten. Vom Pfarrhaus aus wurden die Frauen und Mädchen davor gewarnt, sich auf
der Straße und an den Fenstern zu zeigen«138. »Der Krieg war zu Ende, aber die Angst blieb:
Die Haustüren durften auf Befehl der Besatzungsmacht nicht verschlossen werden. So konnten
Übergriffe von marokkanischen Soldaten auf Burladinger Frauen nicht verhindert werden
. Teilweise hausten die Miltärs wie die Vandalen. Es hieß, nur durch Rosenkranz, Kruzifix
oder Gebet konnten sich die Frauen vor ihren Befreiern schützen. Der Pfarrer forderte alle
Frauen auf, in die Kirche zu kommen. Die französischen Militärs machten dem Treiben der
Marokkaner kein Ende, für die Franzosen war nur wichtig, die kampfesunwilligen Marokkaner
für den Krieg bei Laune zu halten«139.

In den Gesprächen kommen sowohl die Informantinnen als auch die Informanten auf die
Thematik »Vergewaltigungen in der ersten Besatzungszeit« zu sprechen, ohne daß ausdrücklich
danach gefragt worden wäre. Miterlebte Vergewaltigungen wurden vor allem von den
Frauen häufig in einem Atemzug mit anderen Momenten der unmittelbaren Nachkriegszeit
berichtet: »Vergewaltigung war in jener Zeit für die Frauen jedoch >nur< ein Problem unter
vielen. Es gehörte deshalb zu den Überlebensstrategien der Frauen, Vergewaltigungen möglichst
undramatisch hinzunehmen. Sie mußten damit genauso fertig werden wie mit anderen
Problemen auch«140.

Die Frauen versicherten in ihren Erinnerungen an die miterlebten Vergewaltigungen, oft in
stockendem und leisem Ton, daß dies noch immer ein heikles Thema sei, daß ihnen, indem sie
darüber reden, wieder ihre damaligen Ängste und der Ekel bewußt werden. Ein wesentlicher
Unterschied bezüglich der Aussagen von Männern und Frauen, die Vergewaltigungen betreffend
: Während die Frauen, sobald die Problematik konkretisiert war, längere Zeit über ihre
Erinnerungen reden, wechseln Männer schneller das Thema und kommen darauf zu sprechen,
daß viele Frauen später freiwillig zu den Franzosen gegangen seien: »Ja, das war schon
schlimm für die Frauen, als die Franzosen einmarschiert sind. Obwohl es da auch Frauen gab,
die gesagt haben, das war schon recht, wenn ich nur vorher keine solche Angst gehabt hätte.
Und dann haben sie die Franzosen noch eingewickelt, und die sind alle nicht schlecht dabei
gefahren. Für Liebesdienste und weiß Gott was. Aber der Pfarrer hat nachher auch einmal gesagt
, zuerst sind sie ins Kinderhaus und in die Kirche geflohen und nachher sind sie mit ihnen
freiwillig ins Bett. Das hat's auch gegeben. Das habe ich selbst nicht miterlebt, da war ich ja
noch nicht hier, das habe ich mir erzählen lassen«141.

In diesem Zusammenhang ist auch auf die unterschiedlichen Erinnerungsweisen hinsichtlich
der Besatzungszeit bei Männern und Frauen zu verweisen. Obwohl Männer und Frauen
das Kriegsende und die Besatzung völlig anders erlebt haben, folglich auch anders rekonstruieren
, war in den Erzählungen der Frauen häufig die Rede von ihren Ehemännern und deren
Erlebnissen in Krieg und Gefangenschaft. Die Situation der Frau in der Heimat spielte in den

137 Chronik der katholischen Pfarrgemeinde Burladingen.

138 Burladinger Heimatbuch, S. 117.

139 Was für eine Jugend. Zehn Jahre offene Jugendarbeit in Burladingen. Hg. vom Jugendhaus Burladingen
1987.

140 Sybille Meyer, Eva Schulze: Wie wir das alles geschafft haben. Alleinstehende Frauen berichten
über ihr Leben nach 1945. München 1988, S. 63.

141 Interview mit Herrn D. am 9.4.1991.

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