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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1997/0140
Ute Weidemeyer-Schellinger

Erinnerungen der Männer jedoch nur eine geringfügige Rolle, und oft bleibt es bei der stereotypen
Bemerkung, daß es auch die Frauen schwer gehabt haben.

Für die Verarbeitungsgeschichte des Ereignisses Vergewaltigung wurden schon im Vorfeld
Deutungen und Interpretationen wie folgende bereitgestellt: »Die nationalsozialistische Propaganda
hatte in den Monaten vor dem Einmarsch der Franzosen nach Deutschland den gegnerischen
Soldaten als abstoßenden Afrikaner hingestellt, der >blonde, arische< Frauen belästige
. Die davon nicht unbeeindruckt gebliebene Bevölkerung reagierte in der Tat mit Entsetzen,
als nun Algerier, Tunesier, vor allem die grimmig-verwegen aussehenden Berber aus dem marokkanischen
Hohen Atlas nach Südwestdeutschland kamen. Allerdings begannen die Franzosen
bald damit, ihre Kolonialtruppen durch innerfranzösische Einheiten zu ersetzen«142.

Diese in der Kriegspropaganda gängigen Feindbilder haben auch in Burladingen ihre Wirkung
nicht verfehlt: »Die Leute haben natürlich alle Angst gehabt, weil sie eben im Radio und
überall immer gehört haben, was die Franzosen alles zusammenschießen und Leute vergewaltigen
und Sachen stehlen und solche Sachen. Das hat man natürlich vorher gehört«143.

Insgesamt werden die miterlebten Vergewaltigungen von den Gesprächspartnern/innen
nach einer gewissen Phase der Uberwindung zum Teil wesentlich detaillierter beschrieben als
andere Aspekte der Besatzung. Ein eindeutiges und wertvolles Indiz dafür, daß es sich um bedeutsame
Ereignisse in ihren Lebensläufen handelt, die mit jeder Erinnerung an die Besat-
zungs- und Nachkriegszeit eng verbunden sind.

Eine Erinnerung an die Vergewaltigungen in Burladingen nach dem Einmarsch: »Also ich
glaube, zuerst sind die Franzosen gekommen, und da hat man sich wahrscheinlich schon
zurückgehalten. Und nachher sind ja die Marokkaner gekommen. Da ist es hier schon drunter
und drüber gegangen. Also ich glaube, nicht überall in der Nachbarschaft war es so schlimm,
wie es hier war. Da haben ja auch Vergewaltigungen stattgefunden, das ist kein Geheimnis.
Hier hat sogar eine 74jährige Frau daran glauben müssen. Das ist tatsächlich wahr. Ich war ja
nicht hier, aber ich weiß es. Irgendwie hat dann auch der Pfarrer Biener eine Rolle gespielt. Ich
weiß nicht, wie das dann gegangen ist mit den Ärzten hier, also, das waren ja Vergewaltigungen
. Ich glaube, es waren kaum Folgen. Ich weiß auch nicht, wie die das gemacht haben. Ich
habe einmal so etwas ähnliches gehört, daß der Pfarrer sich dafür eingesetzt hat, daß die Frauen
sich dann an einen Arzt wenden konnten. Da waren ja zwei Ärzte, der Dr. Funke und der
Dr. Heitzler. Das war also schon das Schlimmste«144. »Marokkaner sind ja ein Volk wie die
Russen. Die haben ja auch vergewaltigt nach Strich und Faden«145. »Vergewaltigungen von
Frauen und Mädchen kamen in ganz großer Zahl vor. Selbst vor Frauen über 60 Jahren machten
sie nicht halt. Vergewaltigte Frauen begaben sich zum Arzt zur Untersuchung und Behandlung
«146. »In Gauselfingen (Burladinger Nachbargemeinde, d.V.) praktizierte ein litauischer
Arzt, der bekanntgab, daß alle geschändeten Frauen sich an ihn wenden konnten. Offiziell
wurde nichts über Abtreibungen bekannt, aber es ist doch erstaunlich, daß keine der
vergewaltigten Frauen ein Kind bekam«147. »Ja, das war schlimm mit den Vergewaltigungen.
Selbst siebzigjährige Frauen haben sie noch vergewaltigt und ganz junge Mädchen. Einen Fall
weiß ich, da sind gleich mehrere Marokkaner über eine Frau hergefallen, vier oder fünf«148.

Bei den Erinnerungen an die marokkanische Division spielen Angstgefühle und auch Vorurteile
selbst heute noch eine große Rolle. Ein Erklärungsmuster betrifft die Hautfarbe der

142 Jochen Thies, Kurt von Daak: Südwestdeutschland Stunde Null. Die Geschichte der französischen
Besatzungszone 1945-1948. Düsseldorf 1979, S. 19.

143 Interview mit Herrn D. am 9.4.1991.

144 Interview mit Herrn A. am 22.1.1991.

145 Interview mit Herrn E. am 15.5.1991.

146 Chronik der katholischen Pfarrgemeinde Burladingen.

147 Was für eine Jugend. Zehn Jahre offene Jugendarbeit in Burladingen.

148 Interview mit Frau B. am 18.2.1991.

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