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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1997/0141
»Es war wie überall, eben kleiner« - Französische Besatzung in Burladingen (1945-1948)

nordafrikanischen Soldaten, die schon aufgrund ihres Aussehens den Menschen oft Angst und
Schrecken einjagten. Das Verhalten der Marokkaner wird in der Erinnerung nach wie vor von
teils offen rassistischen Klischees bestimmt: »Das andere, was nachher gekommen ist, war das
Schlimmste, was man mitgemacht hat. Beim Einmarsch war das mit den Vergewaltigungen so
schlimm, mit den Marokkanern. Also, ich würde nie nach Marokko gehen, ich könnte nie einen
Marokkaner sehen. Und wenn jetzt so viele nach Tunesien in Urlaub gehen, ich verstehe
es nicht, denn ich könnte keinen Marokkaner sehen. Ich würde in jedem einen sehen, der mich
vergewaltigen will. Ich meine, wir haben's ja glücklich überstanden, aber trotzdem, die Angst.

Ich weiß nicht, ob die Frauen sich in Burladingen an einen Arzt wenden konnten, aber auf
alle Fälle ist kein Kind auf die Welt gekommen. Ich denke, da ist schon irgendwie, oder daß
man sie vielleicht in eine Klinik geschickt hat. Irgend etwas, aber ein Kind ist keines auf die
Welt gekommen. Ja, der Litauer in Gauselfingen, der war einmal irgendwo, das stimmt. Aber
ob der's gemacht hat? Ich denke eher, daß man das vielleicht in einer Klinik gemacht hat. Solch
eine Art von Anwendung wurde doch eher in der Klinik gemacht«149.

Die vergewaltigten Frauen wandten sich im allgemeinen nicht an einen der Burladinger
Ärzte, sondern wurden an die Frauenklinik Tübingen überwiesen, wie ein Schreiben des Gesundheitsamtes
Hechingen an den Landrat vom 21. September 1945 belegt: »Auch im Kreis
Hechingen sind viele Vergewaltigungen vorgekommen. Soweit hier bekannt ist, wurden diese
Frauen zur Untersuchung, Begutachtung und eventuellen Schwangerschaftsunterbrechung
der Frauenklinik Tübingen überwiesen«150.

Während die Interviewpartnerinnen speziell diese Möglichkeit der Untersuchung und des
eventuell notwendigen Schwangerschaftsabbruches anführen, erinnert sich ein Gesprächspartner
- aus heutiger Sicht vielleicht etwas weltfremd -, daß die Frauen »alle eine Spritze gekriegt
haben hier beim Arzt, damit es keine Kinder gegeben hat«151.

Vielleicht hat es aber auch wirklich Frauen gegeben, denen ein Schwangerschaftsabbruch in
der Klinik peinlich gewesen ist, die sich statt dessen von einheimischen Ärzten und auch von
Kurpfuschern beraten und behandeln ließen: »Als die Franzosen dann da waren, waren ja
gleich am Anfang die Vergewaltigungen noch und nöcher hier. Das war ganz ganz schlimm.
Da sind jetzt auch noch ein paar Kinder davon hier. Man konnte dann ja abtreiben lassen. Die
sind dann nach Tübingen - die, die es wollten. Aber die Frauen, die nicht clever gewesen sind
und die, die's nicht gesagt haben, es nicht wahrhaben wollten und sich nicht getraut haben, also
schüchtern waren, die haben dann doch ihre Kinder bekommen«152.

Daß solche Schwangerschaftsabbrüche nach einer erfolgten Vergewaltigung damals durchaus
üblich waren, dokumentiert ein Schreiben des Präsidenten von Hohenzollern an den
Landrat vom 17. Januar 1946: »Die bei Fräulein X.Y., geboren (...) in Burladingen und dort
selbst Hausnummer (...) wohnhaft, festgestellte Schwangerschaft ist nach dem Ergebnis der
Ermittlungen auf die an ihr Anfang Oktober 1945 verübte Vergewaltigung zurückzuführen.
Es liegt gesetzlicher Notstand vor. Die beantragte Genehmigung zur Unterbrechung der
Schwangerschaft wird daher hiermit erteilt«153. »Als sie dann hereingekommen sind, haben sie
ja gleich viele Frauen vergewaltigt. Also, es war schon schlimm. Eine, die hat darunter gelitten,
die hat schwer daran getan. Man hat sie dann nachher zum Arzt gebracht, aber die ist daraufhin
auch noch krank geworden. Bei der muß es furchtbar zugegangen sein, die hat viel mitgemacht
. Ich weiß das von ihr persönlich«154.

»Das stimmt schon, als die Marokkaner hereingekommen sind, haben sie vergewaltigt.

149 Ebd.

150 Staatsarchiv Sigamringen Ho 13 Acc. 14/1977, Nr. 37.

151 Interview mit Herrn E. am 15.5.1991.

152 Interview mit Frau F. am 16.4.1991.

153 Staatsarchiv Sigmaringen Ho 13 Acc. 14/1977, Nr. 37.

154 Interview mit Frau C. am 12.3.1991.

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