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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1997/0145
»Es war wie überall, eben kleiner« - Französische Besatzung in Burladingen (1945-1948)

ein Schwarzer und so blutunterlaufene Augen, so den Hang hoch und auf dem Rückweg sieht
er natürlich uns hinter dem Schuppen. Dann hat er nur so (ein Zeichen zum Herkommen,
d.V.) gemacht und dann - das weiß ich noch so genau - habe ich immer nur: Mama, Mama,
Mama! geschrien. Dann hat er uns mit hinein ins Schlafzimmer und dann ist noch ein Marokkaner
dazugekommen. Dann haben sie immer verhandelt und verhandelt: Du Schwester und
du Schwester! Und ich habe immer nur gesagt: Ich will zur Mama, meine Mama! Der eine Marokkaner
hat dann so mit dem anderen verhandelt und dann hat er gesagt: Gut, ihr Mama, ab!
Also passiert ist uns nichts!«175

Die gleiche Interviewpartnerin rekonstruiert, auf welche Art und Weise die Burladinger
Mädchen und Frauen die ersten Tage der Besatzung verbracht haben: »Und dann sind wir hinter
den Häusern am Wald entlang auch in den Zinken zur Tante. Der Onkel hat dort so einen
Keller gehabt, und da haben sie uns mit der Tochter hineingesteckt. Er hat einen Teppich über
den Verschlag gelegt und hat sich darauf gesetzt und hat seine Pfeife geraucht. Dann sind sie
auch noch hereingekommen und haben deutsche Soldaten gesucht. Er hat ihnen dann immer
erklärt, sie können essen, was sie wollen, keine deutschen Soldaten, keine deutschen Soldaten!
Wir haben das da unten alles so gehört, denn das war ja nur so ein Verschlag. Aber sie sind
dann hinten hinaus. Das Essen hat man auch dort hinuntergebracht. Da haben sie uns ein paar
Tage nicht herausgelassen. Einer hat patrouilliert, der Onkel und die Tante haben gekocht,
und die Mutter hat das Essen geschwind heruntergestreckt. Als ein paar Tage vorbei waren,
haben sie uns heraufgeholt: Das ist jetzt zu unsicher! Da haben die Marokkaner im >Wald-
horn< - das war früher eine Weinhandlung - den Wein ausgetrunken, und waren alle betrunken
. Man hat sie schon jaulen gehört und uns haben sie noch die Straße weiter hinuntergebracht
und dann hat man uns zusammen mit zwei anderen Mädchen versteckt. Und zwar haben
die es so gemacht: Auf dem Heuboden haben sie so in der Breite von diesem Zimmer
Bretter herausgenommen und uns auf der anderen Seite unterm Heu versteckt. Sie haben dann
ein Brett quergelegt und sind darübermarschiert, wenn man uns das Essen gebracht hat. Da
haben wir dann schon keine solche Angst mehr gehabt. Wenn sie jetzt heraufkommen würden
, kämen sie nicht gleich hinüber, sie würden hinunterfallen. Dann waren wir unter dem
Heu und haben die Platten hochgehoben, weil wir das Gejaule gehört haben, und dann haben
wir gesehen, wie die über den Bach herüberkommen, stürmen. Und da sind dann auch einige
vergewaltigt worden. Also, wer nicht gut versteckt gewesen ist, ist vergewaltigt worden. Ich
muß sagen, da haben wir ein schönes Versteck gehabt«176.

Die Zeitzeugin erinnert sich, daß selbst ganz junge Mädchen versteckt wurden, ohne daß
diese verstanden haben, weshalb sie sich nicht mehr im Freien aufhalten durften: »Es war
schon schlimm. Das jüngste Mädchen im Versteck war damals gerade 12 Jahre. Die hat gar
nicht begriffen, um was es geht. Sie hat immer gesagt: Wieso muß ich hinauf? Andere Kinder
spielen und ich muß hier hinauf! Und wieso darf ich nicht hinaus? Dann haben sie ihr immer
erklärt: Du kommst um deine Unschuld, und da muß man hier oben bleiben und abwarten.
Was soll ich da? Und was ist das, die Unschuld? So wie es Mädchen mit 12 Jahren eben gehabt
haben. Das weiß ich noch so genau. Was soll ich hier oben wegen meiner Unschuld? Nachdem
sie dann so fest gehaust haben, ist es dann ruhiger geworden. Zu uns sind sie auch hereingekommen
, aber sie haben uns nicht gefunden. Also wir haben da ein gutes Versteck gehabt«177.

Ein Informant widerlegt die Erinnerung, daß den Frauen in der Kirche Schutz geboten
wurde; ebenso vertritt er den Standpunkt, daß die Frauen sich weder durch Gebete noch
durch den Rosenkranz vor ihren sogenannten Befreiern schützen konnten: »Das ist dummes
Zeug. Was will man da machen? Da hat man gar nichts machen können. Die haben sich nur
verstecken können, das war das einzige, sonst nichts. Ich glaube, das wäre nicht gegangen, die

175 Interview mit Frau E. am 15.5.1991.

176 Ebd.

177 Ebd.

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