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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1997/0154
Ute Weidemeyer-Schellinger

nichts machen können, man hat sie eben auch im Haus gehabt. Also der Mann hat gescholten,
und wir haben gesagt: Du kannst nichts machen, laß' doch, das ist doch egal«224.

Eine Zeitzeugin erinnert sich detailliert an die gewünschte Beziehung eines Franzosen, der
im Haus ihres Vaters einquartiert war. Sie vermittelt Jahrzehnte nach den Ereignissen die Gefühle
, die sich in den Frauen gegen die französischen Besatzer aufgestaut haben, selbst wenn es
sich in diesem Fall um einen »sehr freundlichen und höflichen« Franzosen gehandelt hat:
»Dann hatten wir einen, der hieß X. Das war ein netter Franzose, also auch sehr freundlich
und höflich. Da war der Krieg schon ungefähr ein halbes Jahr vorbei, und dann ist der versetzt
worden. Ich war ein junges Mädchen, man hat eben >Grüß Gott< gesagt und mehr eigentlich
nie. Er hat sich ein paar Mal mit meinem Vater unterhalten. Ich habe auch ein paar Mal französisch
mit ihm gesprochen und gesagt, er solle mir noch ein paar Worte beibringen. Es war aber
ein hochanständiger Leutnant. Nach einem halben Jahr ist er versetzt worden und dann
kommt er wieder und sagt: Ich möchte Ihren Vater sprechen! Dann hab' ich gesagt: Papa
komm', da ist der X. Er will mich heiraten! Zu mir hat er nie etwas gesagt, daß er überhaupt...
Er liebt mich und er will mich heiraten. Er will mich heiraten und mit nach Marokko nehmen.
Marokko hat ja den Franzosen gehört, deshalb hatten sie auch die Marokkaner. Er wird jetzt
versetzt nach Marokko und da will er eine Frau mitnehmen und da will er mich heiraten. Ich
muß also mit ihm nach Marokko gehen. Dann mußte ich schallend lachen: Du glaubst doch
nicht, daß ich mit dir nach Marokko gehe? Nie im Leben! Das war so ganz unvermittelt, da
war überhaupt nichts. Er will mich heiraten und zwar gleich, schnell, er wird in 14 Tagen, drei
Wochen nach Marokko versetzt und da will er mich mitnehmen, hat er gesagt. Ja, ja, aber nicht
mit mir! Ich habe gesagt: Da haben wir gerade darauf gewartet. Also, ich hätte es dann schön,
ich wäre dann Offiziersfrau, die Offiziere würden dort hoch geachtet. Das glaube ich ja schon,
aber...

Mein Vater hat auch gedacht, was der jetzt will, weil er ihn unter vier Augen sprechen wollte
. Er ist dann gekommen und hat gesagt: Guck', da kommt der X., der will dich heiraten. Und
sonst noch was! Ich war so ein junges Mädchen und ich war so, wie soll ich sagen? Ich habe
immer gesagt - das ist jetzt so'n Ausspruch -, also einen Franzosen würde ich nie heiraten und
wenn er einen goldenen Hintern hätte, weil da war irgendwo etwas aufgestaut gegen die.
Oder: Mit einem Franzosen hätte ich nie ein Verhältnis haben können. Ich meine, man war
jung und die haben einem schon nachgeschaut, wenn man gelaufen ist, und hätten schon etwas
angefangen. Aber ich habe gesagt, mit einem Franzosen könnte ich nie etwas haben, nicht um
alles«225.

Nach diesen Gewalttaten der Marokkaner und Franzosen, die hauptsächlich die Frauen
betroffen haben, konnte die Bevölkerung keineswegs aufatmen und zum sogenannten Alltag
übergehen. In der ersten Zeit der französischen Besatzung erfolgten vielfältige Veränderungen
und Eingriffe in die Dorfgemeinschaft, das Dorfleben funktionierte nach neuen Gesetzen.

Ebenso wie sich im Kreis Hechingen »niemand in der Zeit zwischen 20.30 Uhr und sieben
Uhr früh im Freien oder außerhalb seiner eigenen Wohnung aufhalten« und »auch der Ortsbereich
nur mit Genehmigung der Militärregierung verlassen werden«226 durfte, wurde in
Burladingen sofort nach dem Einmarsch der Franzosen eine Beschränkung der Ausgehzeit
»auf die Zeit von acht Uhr morgens bis fünf Uhr abends« angeordnet und außerdem »durfte
die Gemarkung in den ersten Wochen nicht verlassen werden«227.

Da die Burladinger/innen sich heute nicht mehr an die exakte zeitliche Begrenzung der
Ausgangssperre erinnern, wird deutlich, daß man zwar die Ereignisse, nicht aber genaue Daten
im Gedächtnis behält. »Man hat ja sowieso Ausgangssperre gehabt. Es war um zehn

224 Interview mit Frau B. am 18.2.1991.

225 Interview mit Frau F. am 16.4.1991.

226 Speidel (wie Anm. 133), S. 247.

227 Burladinger Heimatbuch, S. 117.

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