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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1997/0156
Ute Weidemeyer-Schellinger

Hechingen in bar aufgebracht werden müsse. Ich finde daher keinen anderen Ausweg, als
Euch alle aufzurufen, damit jeder gebe, was er kann. Wir müssen das große Leid, das unserer
Gemeinde droht, unbedingt verhindern. Jeder, der gibt, erhält eine Quittung, und der Betrag
wird von der Gemeinde zurückbezahlt, sobald sie hierzu in der Lage ist. Helfe jeder!<

Uber 105.000 Reichsmark Spenden gingen hierauf ein. Schließlich erklärte sich die Militärregierung
aber doch zur Entgegennahme eines Schecks von 500.000 Reichsmark bereit. Am 3.
August 1945 ist dieser Scheck dann von dem Vertreter der Militärregierung in Hechingen wieder
vernichtet worden, und die Bürgschaftserklärung wurde zurückgegeben. Auch die Spender
erhielten ihre Beträge von der Gemeinde wieder«231.

Die Situation für Wehrmachtsangehörige in der ersten Nachkriegszeit war ernst, denn aus
der amerikanischen Gefangenschaft entlassene Soldaten mußten damit rechnen, ihre Entlassungspapiere
gegen einen erneuten Zwangsaufenthalt in Frankreich einzutauschen.

Ein Informant erinnert sich an die Schwierigkeiten der Soldaten bei der Heimkehr aus der
Gefangenschaft: »Und dann kamen wir bei Braunau am Inn ins Gefangenenlager, und da hieß
es, amerikanische Zone ist dieses und dieses Gebiet, französische Zone ist dieses und dieses
Gebiet. Und Burlafingen ist ja bei Ulm da oben, und dann habe ich gesagt, amerikanische Zone
. Ich habe gedacht, wenn du einmal in der Ulmer Gegend bist, dann kommst du auch ganz
nach Hause. In Wendlingen habe ich Verwandte gehabt und dort bin ich dann hin, das war ja
auch amerikanische Zone. Da sind wir dann von Mai bis August geblieben. Und da oben haben
sie natürlich alle, die kamen, zum Arbeiten mit nach Frankreich. Dann haben wir gesagt,
dann bleiben wir lieber hier unten und arbeiten da etwas. Wir haben dann bei den Bauern in
der Gegend privat mitgeholfen. Im August war's dann einigermaßen und da sind wir dann
heim. Da mußte man sich aber innerhalb acht Tagen melden. Entlassungspapiere und alles waren
in Ordnung, das habe ich ja gehabt. Das hat man denen vorgezeigt und dann kam ein
Stempel drauf, gut, erledigt. Das war so ab Juli, August, nachdem der Franzose bei uns niemand
mehr mitgenommen hat - vorher hat der natürlich wieder viele nach Frankreich hinein
zum Arbeiten. Und als das dann überall bekannt war, dann kamen sie dann von oben herunter
vom Norddeutschen, von der englischen, von der amerikanischen Gefangenschaft und überall
her. Und der Russe hat ja dann am Anfang auch welche laufen lassen, bloß nicht so viele. Der
Franzose hat dann keine mehr kassiert, und an der Grenze zu Nordwürttemberg damals, wo
der Amerikaner war, als da alles einigermaßen reibungslos vonstatten ging, dann sind schon
wieder welche heimgekommen«232. »Angehörige der Wehrmacht, die sich verborgen hielten,
mußten sich melden. Am Himmelfahrtstage wurden die hier sich befindlichen Wehrmachtsangehörigen
nach Hechingen verbracht. Dort gab der X.Y. an, daß sich hier noch ein aktiver
Soldat befinde, der sich nicht gemeldet habe. Er ist verheiratet, evakuiert aus Stuttgart. Er behauptete
, er sei am 20. April rechtmäßig entlassen worden. Er wurde sofort abgeführt und der
Gemeinde eine Strafe von einer halben Million Reichsmark auferlegt. Bis zum Mittag des 13.
Mai sollte diese Schuld bezahlt sein. Die Gemeinde stellte einen Scheck aus, der von den Fabrikanten
selbstschuldnerisch gedeckt war. Im August 1945 wurde diese Schuld erlassen«233.

Die Interviewpartner verbinden ihre heutige Erinnerung an dieses Ereignis mit der Feststellung
, daß der Mann sich »mit Absicht« nicht gemeldet habe und »eine umstrittene Persönlichkeit
« gewesen sei. Keiner hebt jedoch bei der Rekonstruktion der Vergangenheit hervor,
daß der Gemeinde diese Probleme ausschließlich aufgrund einer Denunziation entstanden
sind; dieses Faktum veranschaulicht nur die historische Quelle.

Hätte man den Soldaten, der sich vielleicht aufgrund fehlender Entlassungspapiere nicht
gemeldet und eine bevorstehende französische Gefangenschaft befürchtet hat, wohl auch denunziert
, wenn es sich nicht um einen Evakuierten, sondern einen Einheimischen, einen Bur-

231 Burladinger Heimatbuch, S. 117/118.

232 Interview mit Herrn D. am 9.4.1991.

233 Chronik der katholischen Pfarrgemeinde Burladingen.

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