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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1997/0160
Ute Weidemeyer-Schellinger

die ersten zwei Jahre so schlecht gegangen wie in Rußland. Frankreich war ganz schlimm die
ersten Jahre. Das war eben damals auch die erste Verärgerung, man hat sie überfallen. Zwischen
Starzein und Killer (heutige Burladinger Stadtteile, d.V.) hat so eine Kolonne von Gefangenen
einmal ein Pause gemacht. Dann gibt's doch im Straßengraben so einen Wassergraben
und da war so eine kleine Uberführung und noch eine Dole, wo das durchlief. Und da hat
sich einer hineingelegt. Das hat man ja nicht gemerkt, denn da war ja alles voll belagert mit Gefangenen
. Der hat sich da hineingelegt und ist brav liegengeblieben, bis sie wegmarschiert sind.
Und als sie weit genug weg waren, ist er heimgegangen. Aber die Idee mußte man haben!«242

»Hier sind ein paarmal deutsche Gefangene durchgezogen. Denen hat man auch Brot
hinübergebracht und etwas zu trinken. Die haben fast nicht mehr laufen können. Die sind
bloß hier durchgezogen. Ich glaube, zwei- oder dreimal sogar, ganze Straßenzüge sind gekommen
«243. »Wir waren da schon im Haus von meinem Onkel an der Hauptstraße, und da sind
die Gefangenen vorbeigekommen. Und dann haben wir von oben, was wir erwischt haben,
Brot, Käse, Wurst, das haben wir alles heruntergeschmissen in die Gefangenen hinein. Also,
ob man das jetzt hätte machen dürfen oder nicht, das weiß ich nicht. Wir haben auf jeden Fall
die Lebensmittel aus dem oberen Fenster hinaus unter die Gefangenen geworfen. Da waren
auch Posten oder Wächter dabei«244.

Neben der Hilfe für die deutschen Kriegsgefangenen hat Frau C. gemeinsam mit ihrem
Ehemann nach dem Krieg deutschen, sich auf dem Heimweg befindenden Soldaten geholfen,
sie versteckt, ihnen Nahrung und Kleidung besorgt und damit zweifelsohne ihr Leben riskiert
. Da die Burladinger Mühle, die sie mit ihrem Mann zwei Jahre nach dem Krieg bewohnt
und bewirtschaftet hat, etwas außerhalb der Gemeinde liegt, war es für sie aufgrund der örtlichen
Gegebenheit eher möglich, Hilfestellungen ganz spezieller Art zu leisten. »Also, als wir
in der Mühle unten waren, ist mein Mann oft gekommen und hat ans Fenster geklopft und gesagt
: Steh' auf, es kommt wieder eine Portion. Dann bin ich immer aufgestanden und habe
Kaffee gemacht. Also, das waren Deutsche, die durch sind und heim wollten. Da ist hier ein
schmaler Übergang gewesen zum Hinübergehen. Ein Händler hat uns laufend Sprudel gebracht
, damit wir denen etwas zu trinken geben konnten. Und Kleider hat man gebracht, Verwandte
, zu denen ich es gesagt habe. Dann haben sie sich in der Scheune umgezogen, die Soldaten
, in Zivil. Mancher hat eine Axt mitgenommen, der andere eine Harke, und so sind sie
damit gelaufen, weil sie immer noch Angst gehabt haben, man könnte sie noch einmal einsperren
. Und einer ist nicht mehr so keck gewesen und heimgegangen, der ist noch ein Dreivierteljahr
bei uns in der Mühle geblieben, bis dann sein Vater gekommen ist und ihn geholt hat. Er
war von Bierlingen, also nicht weit weg von hier, aber er ist nicht so keck gewesen.

Oft haben die Soldaten auch bei uns in der Mühle im Heu geschlafen. Und dann sind auch
immer einmal wieder Franzosen gekommen, wenn sie sie gesehen haben. Viele sind einmal ins
Kornfeld gelegen, als sie die Franzosen haben kommen sehen, die haben ja noch Uniformen
angehabt. Aber erwischt haben die Franzosen keinen. Man hat immer geguckt, damit man sie
nicht erwischt hat, und hat sie versteckt. Von der Mühle aus sind sie gleich über den Wald hinaufgekommen
und dann wieder weiter. Die Franzosen sind ihnen ein Stück weit hinterher und
dann sind sie wieder zurückgekommen.

Oh je, da sind lange Soldaten gekommen, die da den Übermarsch gehabt haben. Es sind
auch Leute gekommen, die Kleider gebracht haben und sie dort in die Scheune gelegt haben.
Burladinger haben die Sachen gebracht. Die Soldaten haben geguckt, ob irgendwo jemand ist
und dann sind sie meistens bei Nacht, aber auch bei Tag gekommen.

Und ich habe auch einmal acht Tage lang in der Mühle Franzosen gehabt. Ich weiß nicht,
was die da gemacht haben. Wahrscheinlich haben sie einfach hier ihren Standort gehabt. Aber

242 Interview mit Herrn G. am 29.4.1991

243 Interview mit Frau H. am 16.5.1991.

244 Interview mit Frau E. am 15.5.1991.

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