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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1997/0162
Ute Weidemeyer-Schellinger

»Die Franzosen und Marokkaner sind gleich oben ins Haus hineingestürmt und haben
gleich alle Türen aufgerissen von den Schränken und haben alles, was - Fotoapparate und Taschenlampen
- irgendwo wertvoll war, haben sie gleich mitgenommen. (...) Wir saßen die
ganze Nacht in dem Vorratsraum und draußen hat's in den Zimmern rumort. Da haben die alles
hinausgeschleppt. Und vor allen Dingen waren die so scharf auf Matratzen, weil sie so ein
kleines Lazarett eingerichtet haben und da brauchten sie Matratzen. Und in ihren Panzern
sind sie auch schlecht gesessen. Matratzen sind alle weggegangen, die waren schnell weg. (...)

Und dann kamen die ja auch immer von Hechingen von der Kommandantur, solche Requirierer
hat man gesagt. Da waren dann immer zwei Deutsche dabei. Die haben gewußt, da
hat's schöne Möbel, da hat's Besteck, da hat's Bettwäsche, da hat's Tischwäsche. Und dann kamen
die mit zwei Franzosen herein und: Schrank auf, Bettwäsche heraus, Besteck heraus! Das
haben sie dann alles mitgenommen nach Hechingen, wo sich dann die Offiziere in den Wohnungen
eingerichtet haben. Auch Sessel. Wir haben keinen Sessel mehr gehabt. Die haben sie
alle mit nach Hechingen und von dort wird das wohl nach Frankreich gegangen sein. Und die
Deutschen wußten natürlich, wo die Leute etwas hatten, und dann sind sie da natürlich hinein
und haben die Sachen geholt«253. »Es ist eben laufend noch geplündert worden. Die Marokkaner
haben schon unsere Hühner geschlachtet gehabt, da war schon ein Schlachtfest. Da ging's
bei uns in der Küche schon ans Brutzeln«254.

Diese >Geschichten< innerhalb der >Geschichte< geben ihren Charakter als Marksteine und
Schlüsselerlebnisse in der individuellen Biographie der Interviewpartner/innen zu erkennen.
Überraschenderweise integriert das Erinnerungsvermögen der Gesprächspartner/innen in diese
(Un)taten der französischen Besatzer auch diejenigen der einheimischen Bevölkerung. »Aber
die Burladinger haben selbst noch die Fabriken ausgeräumt. Nicht nur die Franzosen«255. »Am
8. Mai war dann ja offiziell das Ende und dann ist meine Mutter gekommen und hat gesagt: Jetzt
könnt ihr wieder heim in die Wohnung. Sie hat gesagt, der Nachbar, ein älterer Mann, sei in den
Zinken gekommen und habe gesagt: Jetzt müßt ihr heimkommen. Jetzt holen die Einheimischen
heraus, was sie finden. Man hat schon Schokolade und eingemachte Sachen in den Häusern
gehabt. Er hat dann gesagt: Jetzt mußt du heimkommen, sonst bringen die Einheimischen
soviel heraus wie die Marokkaner. Sie ist dann heim und uns hat man dann geholt. Es hat aber
ausgesehen wie bei einem Schlachtfest. So hoch ist überall vom Hühnerschlachten Schmalz in
Kesseln gestanden, und auf dem Boden herum. Gestohlen haben sie, von meinem Vater haben
Stiefel gefehlt und meine Mutter hat Bettwäsche eingehamstert gehabt, die hat gefehlt. Vermutlich
aber nicht einmal von denen beim Einmarsch, sondern von den Burladingern. Jetzt gingen
die Burladinger ein und aus, jetzt sollte man beinahe nach Hause, hat's geheißen«256.

»Ich meine, als 45 die Franzosen gekommen sind - das habe ich mir sagen lassen -, sind
natürlich die Leute in die Fabriken und haben da requiriert und haben alles mit, was nicht
niet- und nagelfest war. Die Burladinger! Einer war zum Beispiel beim Fauler, der hat einen
großen Sack dabeigehabt und immer hineingestopft. Dann kam der Fauler dazu und dann sagt
der: Gell Fauler, das sind Zustände! Das sind keine Sagen, das sind Tatsachen! Beim Johann
Mayer sind auch Leute hingegangen und haben natürlich auch Sachen herausgeholt. Dann
ging der hinten in den Stall und hat denen eine Kuh genommen. Der hat dann gesagt: Du
kannst mir doch meine Kuh nicht wegnehmen. Der Johann Mayer hat geantwortet: Das ist genau
dasselbe, wie du bei mir Ware geholt hast. Das sind so die ersten Tage gewesen. Das sind
jetzt Erzählungen, die man hinterher erfahren hat. Wir waren ja nicht da, wir haben es ja nicht
feststellen können«257.

253 Interview mit Frau F. am 16.4.1991.

254 Interview mit Frau E. am 15.5.1991.

255 Interview mit Frau C. am 12.3.1991.

256 Interview mit Frau E. am 15.5.1991.

257 Interview mit Herrn D. am 9.4.1991.

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