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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1997/0166
Ute Weidemeyer-Schellinger

an die Türen geschrieben: Zwei Mann, also zwei l'homme, oder drei Mann. Dann ist meine
Tante hingegangen und hat hingeschrieben: Offizier. Und dann ist kein Marokkaner gekommen
. Sie hat einfach >Offizier< hingeschrieben, obwohl die gar nicht gekommen sind. Die Offiziere
haben bei den Fabrikanten gewohnt, die sind nicht in solche Bauernhäuser hinein. Die
wollten etwas Besseres. Und wenn die Soldaten gesehen haben, daß da Offizier stand, sind sie
gleich wieder abgehauen. Bei uns ist nichts geplündert worden, weil überall >Offizier< an der
Tür gestanden ist. Dann haben sie das Courage gar nicht gehabt. Die Franzosen haben da drüben
in der Wirtschaft das Lazarett gehabt. Da waren viele im Lazarett, die haben sie wahrscheinlich
von der Front mitgebracht. Bis zu 14 Betten haben sie drin gehabt. Das haben sie alles
selbst eingerichtet, da mußten wir nichts tun. Man hat ihnen eben das, was in der Wirtschaft
gewesen ist, gegeben und die haben dann noch die Küche benutzt und haben denen
gekocht. Das haben sie alles selbst gemacht. Das waren Franzosen und Marokkaner«275.

Eines der letzten Ereignisse der ersten Zeit der französischen Besatzung stellte der Besuch
des Sultans von Marokko dar: »Am Samstag, den 23. Juni 1945, kam der Sultan von Marokko
hier durch. Die Straßen mußten gekehrt werden. Von 12 Uhr ab durfte kein Heuwagen mehr
fahren. Von mittags drei Uhr durfte sich niemand mehr auf der Straße zeigen, auch nicht in
den Gärten oder im Tal auf dem Felde arbeiten. Die Heuernte ruhte, bis der Hohe Herr etwa
gegen sechs Uhr hier durchgezogen war. Erst als die Autokolonne mit etwa 30 Wagen verschwunden
war, durfte man sich wieder auf der Straße zeigen«276.

Diesem >hohen Besuch< in Burladingen wurde jedoch - zumindest in der heutigen Erinnerung
- keine besondere Bedeutung beigemessen, die meisten Interviewpartner/innen konnten
sich an dieses >Ereignis< überhaupt nicht erinnern. Das Ziel der Franzosen, ihre strenge Besatzungsherrschaft
dadurch zu demonstrieren, daß die Bevölkerung sich nicht auf der Straße zeigen
durfte, wird heute ausschließlich aus ironischer Sicht betrachtet.

»Ob man den jetzt gesehen hat oder nicht!«277 »Der ist hier durchgefahren. Da mußten alle
in den Wohnungen bleiben. Wahrscheinlich, damit nichts passierte. Da hat man eine Sperre
gehabt, daß man nicht aus den Häusern durfte. Man hat ja sowieso Ausgangssperre gehabt«278.
»Da weiß ich gar nichts. Wahrscheinlich haben sie Angst gehabt wegen möglichen Anschlägen
. Daß einer mit einer Mistgabel auf ihn losgeht, sonst hat man ja nichts gehabt«279. »Wenn
Sie das jetzt so sagen, muß ich sagen, das stimmt. Aber da kann ich mich jetzt an etwas Genaueres
nicht erinnern«280. »Man mußte die Straße fegen und durfte nicht vor die Tür gehen.
Ich habe trotzdem zum Fenster hinausgeguckt, er ist aber nur hier durchgefahren. Das war
kein besonderes Ereignis für Burladingen.«28'

275 Interview mit Frau H. am 16.5.1991.

276 Chronik der katholischen Pfarrgemeinde Burladingen.

277 Interview mit Herrn D. am 9.4.1991.

278 Interview mit Frau B. am 18.2.1991.

279 Interview mit Herrn A. am 22.1.1991.

280 Interview mit Frau E. am 15.5.1991.

281 Interview mit Frau H. am 16.5.1991.

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