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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1999/0055
Fünf Tage, die das Fürstentum erschütterten

sprochen gefühlt haben. Mehr noch, die Rückendeckung, die sich die Sigmaringer Demokraten
in Tailfingen zu holen bemühten, muß so einmütig gewesen sein, daß ihnen jeder zögernde
Gedanke fremd blieb. Der revolutionäre Funke hatte auch im Unterland gezündet, das
war die Legitimation, mit der sie nach Sigmaringen zurückkehrten. Dieses Häuflein war einig
, verkündete ja der Erzähler, als die Sigmaringer Demokraten ihm, zurück in der Hauptstadt
des Fürstentum, von den Ergebnissen ihrer Reise berichtet hatten71. Die fünf Tage, die
das Fürstentum erschütterten, hatten ihren Lauf genommen.

5. DIE SORGEN

Würths Einschätzung stand nicht allein. Die Trillfinger Volksversammlung vom 24. September
1848 setzte ein Fanal, das weit außerhalb des Dorfes gehört wurde. Die Teilnehmer der
Versammlung kehrten am Abend des 24. September zurück in ihre Heimatdörfer. In den Familien
und an den Biertischen gab es an jenem Abend sicherlich so gut wie kein anderes Thema
, über das zu sprechen sich lohnte. In Hechingen jedenfalls war die Trillfinger Versammlung
Tagesgespräch. Mit Entrüstung und mit tiefer Trauer haben gewiß alle Vernünftigen die
Vorgänge vernommen, die am gestrigen Tage (Sonntag) in unserer Nachbarschaft stattgefunden
und bis in unsre friedlichen Mauern sich bemerklich gemacht haben. Eine Widererzählung
dessen, was gethan und gesprochen worden, ist unnöthig; es ist in Jedermanns Munde,
bestätigte am Montag, am 25. September, ein Leser des regierungsamtlichen Verordnungsund
Anzeigeblatts für das Fürstentum Hohenzollern-Hechingen, damals die einzige Zeitung
in Hechingen. Sein Leserbrief erschien in der nächsten Ausgabe am 27. September. Der Autor
war offensichtlich wohlhabend, ein Besitzbürger, dem die Visionen, die die Demokraten in
Trillfingen gemalt hatten, Angst machten. Jeder Rechtschaffene fühlt, schrieb er, daß der
Zweck kein guter seyn kann, zu dessen Erreichung die niedrigsten Leidenschaften des Menschen
, Eigennutz, Habgier, Neid aufgestachelt werden müssen. Eine Beleidigung ist es, ich
hoffe, eine unverdiente, wenn man unserem Volke die Plünderung der Fürstlichen Schlösser,
den Raub an Reichen und Wohlhabenden als Köder hinstellt, um es zu Handlungen hinzu-
reissen, die bei ruhigem Nachdenken Jeder mißbilligt, weil er begreift, daß man mit den
Reichsten und Reichen anfängt und daß am Ende keiner mehr sicher ist vor Gewalt, wenn er
auch nur einen Rock, einen Acker, ein Stück Vieh mehr hat, als der Andere72.

Ob in der Trillfinger Versammlung die Vision, Säckel und Truhen der Fürsten zu leeren,
metaphorisch oder als reale Alternative ausgemalt wurde, sie traf den Schreiber des Leserbriefs
bis in das Mark. Inzwischen hatten ihn auch die Nachrichten von der Erhebung Gustav
Struves in Südbaden erreicht, es war von Verhaftungen und Beschlagnahmungen die
Rede und das Ende des Unternehmens noch nicht absehbar - obwohl Struves Freischärler
bereits am 24. September in Staufen geschlagen, Struve selbst am 25. September in Wehr verhaftet
worden war. Diese Nachrichten aber waren noch nicht bis Hechingen vorgedrungen.

Wenn die Forderung nach Wohlstand und Freiheit für Alle in Raub und Plünderung mündete
, so argumentierte der Leserbriefschreiber jedenfalls noch am selben Tag, waren Sorgen
um die Zukunft mehr als angebracht. Was ist der Erfolg solchen Treibens, fragte er sich und
die Leser des Verordnungsblatts. Mit dem Wiedererwachen der Ordnung und der Gesetzlichkeit
zeigte sich wieder, wenn auch langsam, einiger Verkehr, es war wieder möglich geworden,
da oder dort etwas zu verdienen, man konnte hoffen, zum Genuß dessen zu kommen, was die
jüngsten Begebenheiten in unserm Vaterland uns gebracht, erinnerte er an den Sommer nach

71 Der Sigmaringer Erzähler Nr. 77/26.09.1848.

72 Verordnungs- und Anzeigeblatt Hechingen Nr. 78/27.09.1848 S. 354. Der Leserbrief erschien unter
dem Titel Eingesandt anonym in der Zeitung. Leserbriefe ohne Nennung des Schreibers zu veröffentlichen
, war bis weit in das 20. Jahrhundert hinein üblich.

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