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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1999/0093
Revolutionäre Beamte?

land am 10. Oktober Realität wurde, wollte nun niemand mehr Republikaner sein127. Clavel
nahm die Trillfinger, die sich von den radikalen Demokraten abwendeten, offiziell in Schutz,
daß sie ein wachsames Auge auf ihre anarchisch Gesinnten heften, andererseits aber auch gegen
die eigentliche Reaktion operiren würden128.

Clavel blieb wohl auch in der Folgezeit besonnen und schritt gegen Unordnung ein129. Allerdings
scheint er, der sich bereits im Oktober 1848 öffentlich als nicht reaktionär bezeichnete
, allmählich politisch radikaler geworden zu sein, obwohl er sich - zumindest in einer öffentlichen
Erklärung - noch zu keiner politischen Partei bekennen wollte. Die Radikalisierung
könnte auf den Einfluß Carl Würths zurückzuführen sein, der Clavels Schwager war.
Clavel stritt zwar später einen Umgang mit Würth ab, doch wird dies wohl eher eine Schutzbehauptung
gewesen sein, wie dies der Untersuchungsbeamte annahm130. Und auch Clavels
weiteres Verhalten läßt an seiner Aussage Zweifel aufkommen, denn er wirkte während der
Revolutionszeit in demokratischem Sinne, wie ihm später vorgeworfen wurde. Im Oberamt
Glatt war er Kandidat der demoeratischen Parthie (!) für den Sigmaringer Landtag. Er schlug
die Wahl zwar zunächst aus, nahm sie aber dann an, eventuell auf Drängen seiner Sigmaringer
demokratischen Freunde. Damit hatte Clavel nun eindeutig einen politischen Standpunkt bezogen
.

Auch in der Öffentlichkeit gab sich Clavel radikal. So stieß er in Gesellschaften Verwünschungen
gegen die Fürsten überhaupt, insbesondere aber gegen den preußischen König
aus131. Die Verwünschungen gegen den preußischen König könnten möglicherweise darauf
zurückzuführen sein, daß Friedrich Wilhelm IV. im März 1849 die Parlamentskrone aus
Dreck und Letten, wie er sie bezeichnete, ablehnte, nachdem ihn die Frankfurter Nationalversammlung
zum deutschen Kaiser gewählt hatte132.

Im Mai 1849 spitzte sich die revolutionäre Situation auch in Hohenzollern nochmals zu.
Am 28. März war die Reichsverfassung verabschiedet worden. Hohenzollern-Sigmaringen
und Hechingen erkannten die Verfassung an. Die großen deutschen Staaten, mit Ausnahme
Württembergs, versagten jedoch der Paulskirchenverfassung die Anerkennung. Zur Durchsetzung
und Verteidigung der Verfassung brachen in den meisten deutschen Staaten nochmals
Aufstandsbewegungen aus, die zum Teil militärisch niedergeschlagen wurden, in der
bayrischen Rheinpfalz und in Baden im Juni/Juli 1849 mit Hilfe von preußischen Truppen
unter Führung Prinz Wilhelms von Preußen, des späteren Kaisers Wilhelm I.133

Im Rahmen dieser Ereignisse rief Carl Würth, seit längerem Abgeordneter in Frankfurt
auf Seiten der äußersten Linken, Ende April auch die Hohenzollern zum Aufstand auf. Die
allgemeine Begeisterung für die deutsche Einheit ergriff im Mai 1849 die hohenzollerischen
Fürstentümer. Vom »Eifer der Radikalen für die Durchsetzung der Reichsverfassung wurden
nun auch gemäßigte Demokraten und Liberale erfaßt, die anfangs von einer Gewaltanwendung
zurückgeschreckt waren.« Selbst das unter dem Einfluß der Sigmaringer Regierung ste-

127 Gönner, Revolution (wie Anm. 1), S. 135 ff., S. 143 ff.

128 Dazu: Vogt, Fünf Tage (wie Anm. 1). Edition der Erklärung Clavels vom 12.11.1848 (VuABl Sig.
Nr. 47,19.11.1848).

129 StadtA Haigerloch, Akten 15: Erklärung der Bürgermeister vom 11.4.1850.

130 StAS, Ho 235 I, I, R, 598 (Untersuchungsbericht von Sallwürks, 25.4.1850). Würths Vater stand, wie
der Vater und andere Familienangehörige Clavels, in fürstenbergischen Diensten und war von 1806 bis
1835 Obervogt des Obervogteiamts Jungnau. Hier zeigen sich die engen verwandtschaftlichen Beziehungen
innerhalb der Beamtenfamilien (Amtsvorsteher [wie Anm. 3], S. 209, S. 594; Gönner, Revolution
[wie Anm. 1], S. 23).

131 StAS, Ho 235 I, I, R, 598: Untersuchungsbericht von Sallwürks, 25.4.1850.

132 Siemann, Deutsche Revolution (wie Anm. 25), S. 203 f.; Nipperdey, Deutsche Geschichte (wie
Anm. 5), S. 660 f.

133 Siemann, Deutsche Revolution (wie Anm. 1), S. 204 ff.; Gönner, Revolution (wie Anm. 1),
S. 149 ff.

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