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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1999/0103
Thesen zur Revolution von 1848/49 in Hohenzollern

1. Die Revolution von 1848/49 markiert eine Zäsur in der Geschichte Hohenzollerns. Der
1803/06 begonnene Sonderweg Hohenzollerns wird im Gefolge der revolutionären Erschütterungen
mit dem Anschluß der beiden Fürstentümer Sigmaringen und Hechingen
an Preußen in eine neue Richtung gelenkt und auf diese Weise um weitere 95 Jahre oder -
wenn man die Kreisreform und die Auflösung des Landeskommunalverbandes der Ho-
henzollerischen Lande 1972 als Schlußdatum nimmt - sogar um 120 Jahre verlängert.

2. Die revolutionäre Bewegung des Jahres 1848 knüpft in den beiden Fürstentümern
Hechingen und Sigmaringen in Form und Trägerschicht an die Widerstands-Tradition des
Alten Reiches an: Während wir es in Hechingen in erster Linie mit einem tumulthaften
Bauernaufstand unter Führung der Landgemeinden gegen die Feudallasten zu tun haben,
handelt es sich in Sigmaringen vorrangig um eine städtisch-bürgerliche Bewegung mit liberalen
Reformforderungen und in der Folge auch republikanisch-demokratischen Bestrebungen
. Die Hechinger Vorgänge können insofern als spätes, letztes Glied der bis in
das ausgehende 16. Jahrhundert zurückreichenden Kette von Bauernaufständen gegen die
feudale Bedrückung verstanden werden, während in Sigmaringen die Kontinuität zu der
auch hier vorhandenen langen Tradition des Untertanen-Widerstands im Alten Reich lediglich
in der Führungsrolle der Stadt und der städtischen Bürgerschaft, nicht aber in den
Inhalten des Protests besteht.8

3. In Sigmaringen ist die Revolution von 1848/49 mit einer politischen Spaltung der in der
Museumsgesellschaft organisierten bürgerlichen Oberschicht verbunden: Die Exponenten
bildeten dabei die fürstlich-konservative Partei mit Hofkammerpräsident von Weck-
herlin und Oberstleutnant von Niedermayr einerseits und die radikalen Demokraten um
den Rechtsanwalt Dr. Karl Otto Würth und die Offiziere Gustav von Hoffstetter und
Karl Dopfer andererseits. Die politischen Kontroversen führten am 7. August 1848 zur
Auflösung der Museumsgesellschaft, die sich erst Anfang 1849 im Gefolge der allmählichen
Restauration der politischen Verhältnisse und des Nachlassens der demokratischen
Bewegung wieder neu formiert.9

4. Die Revolution von 1848/49 ist die Geburtsstunde der politischen Parteien in Hohenzollern
. Während die radikaldemokratisch-republikanische Richtung nach der Niederlage
der Revolution im politischen Leben des Landes keine Rolle mehr spielt, schlagen die
rechtsliberal-konstitutionelle Bewegung und vor allem der politische Katholizismus feste
Wurzeln. Nach einer kurzen Vorherrschaft der Nationalliberalen im Gefolge der Reichsgründungspolitik
Bismarcks seit 1867 bringt der Kulturkampf der 1870er Jahre den Aufschwung
des Zentrums zur alles dominierenden politischen Kraft im katholischen Hohenzollern
.10

5. Der Grad der Radikalität der politischen Bewegung in den Revolutionsjahren wird in beiden
hohenzollerischen Fürstentümern wesentlich von den politischen Wortführern bestimmt
: In Hohenzollern-Sigmaringen, einem Verfassungsstaat mit liberalem Regierungschef
, vergleichweise »moderner« Herrschafts- und Verwaltungspraxis und mit entwickelter
politischer Partizipation und Öffentlichkeit, entsteht unter dem maßgeblichen Einfluß
von Karl Otto Würth eine radikaldemokratisch-republikanische Bewegung und kommt
es im Sommer und Herbst 1848 und erneut im Frühsommer 1849 zu einer politischen
Eskalation, die die Fürstenherrschaft radikal in Frage stellt. Demgegenüber vermag in

8 Ausführlicher erörtert wird die Kontinuitäts-These in dem in dieser Zeitschrift anschließenden Beitrag
von Andreas Zekorn: Alte Strukturen und neue Elemente während der Revolution von 1848/49 in
Hohenzollern.

9 Zekorn: Museumsgesellschaft (wie Anm. 2).

10 Zur Entwicklung der politischen Richtungen und Parteien in Hohenzollern in preußischer Zeit vgl.
Fritz Kallenberg: Die Sonderentwicklung Hohenzollerns. In: Ders. (Hrsg.), Hohenzollern (wie
Anm. 2), S. 129-282, hier S. 171 ff., 179 f.

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