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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1999/0117
Beitrag zum »Forschungsdiskurs« über die Revolution von 1848/49 in Hohenzollern

Die zweite These von Weber, die Zekorn ausführlicher im Anschluß an seine eigenen Forschungen
begründet, spricht zurecht von einem »tumulthaften Bauernaufstand«, dem letzten
in der von Cramer geführten Liste. Dabei wäre zu bedenken, daß im Gegensatz zu vielen der
früheren Rebellionen, die ausgeprägt anarchische Phase von eher kurzer Dauer war und unblutig
verlief, kaum vergleichbar mit den Exzessen in den standesherrlichen Gebieten Badens
, Württembergs und Hessen-Darmstadts im Frühjahr 1848, notabene auch ohne die
sonst im Zusammenhang der Bauernaufstände üblichen Ausschreitungen gegen die jüdische
Bevölkerung.

Bei Webers Thesen drei bis fünf sollte man daran denken, daß der 1848 sich verschärfende
politische Differenzierungsprozeß eine längere Vorgeschichte hat; Würth war schon auf dem
Hambacher Fest dabei und war schon 1832/33 Mitglied des Preß- und Vaterlandsvereins.
Auch unter den dürftigen Bedingungen des konstitutionellen Systems in den beiden Fürstentümern
zeichnen sich schon deutliche Parteiungen ab. Die Herausbildung eines demokratisch
-republikanischen Lagers in Sigmaringen vollzog sich allerdings erst im Lauf der Revolution
unter äußeren, teilweise auch von Würth vermittelten Einflüssen. Ebenso vollzog sich
die Loslösung der Ultramontanen von den Konservativen im Zuge der Revolution, wobei
der Wortführer, der spätere Sigmaringer Stadtpfarrer Silvester Miller, durch seine Agitation
gegen Staatskirchentum und Polizeistaat oft in die Nähe der Linken geriet. Als der Anschluß
an Preußen Hohenzollern vom Staatskirchentum befreite, eröffneten sich der neuen, ganz
auf den Papst ausgerichteten Frömmigkeitsbewegung bisher ungekannte Freiräume. Nach
der Revolution erlischt der Stern der katholischen Aufklärung in Hohenzollern. Der Wes-
senbergianismus, der so imposante Geistliche und Volksmänner wie Blumenstetter und
Sprißler hervorgebracht hat, ist politisch und innerkirchlich am Ende. Allerdings gelang es
dem in der Revolution begründeten politischen Katholizismus erst im Kulturkampf, Hohenzollern
zu einer Zentrumsfestung zu machen.

Bei den von Weber in seiner sechsten These erwähnten unterschiedlichen Motiven für den
Anschluß Hohenzollerns an Preußen erscheint mir eine historische Verdeutlichung wünschenswert
. Die Souveränitätsabtretung war für die Fürsten kein völlig überraschendes Thema
. Der Vater des Fürsten Friedrich Wilhelm Konstantin war schon 1806 überzeugt, das
Schicksal der kleinen Territorien, der »Hoheitsnullen«, sei besiegelt und hielt es für das Haus
für sinnvoller, »den ruhigen Besitz eines Eigentums« anzustreben. Wir wissen, zu welchen
Manipulationen der sonst so ehrenwerte Fürst Karl Zuflucht nahm, um die Verfügungsgewalt
des Landtags über die Domänen zu verhindern. Er war in der Revolution schon früh
zum Opfer der Souveränität zugunsten des Domänenbesitzes bereit. Karl Anton kam erst im
September 1848 zur Einsicht: »Die Durchführung des konstitutionellen Prinzips ist bei kleinen
Verhältnissen eine Unmöglichkeit«. Und im folgenden Monat gestand er ein, seine Stellung
als Souverän sei »unhaltbar« geworden. Die Rettung der Domänen für das Haus war
deshalb das zentrale Anliegen der Fürsten. Bei Gönner wimmelt es von Belegen dafür. Endlich
wurde die Familienideologie und der romantische Legitimismus Friedrich Wilhelms IV.
von den schwäbischen Fürsten instrumentalisiert zugunsten der Domänengarantie und ansehnlicher
erblicher Renten.

Die Gründe, die Weber in seiner siebten These für den Verhaltens- und Bewußtseinswandel
in der hohenzollerischen Bevölkerung nennt, ließen sich erweitern. Ganz allgemein gilt
als Konsequenz aus dem Scheitern der Revolution, daß künftig versucht wurde, die politischen
Reformziele gewaltfrei zu erreichen. Das äußerte sich in Hohenzollern in der frühen
Forderung nach einer eigenen Landesvertretung, die allerdings erst zwei Jahrzehnte später in
Form des Landeskommunalverbandes zugestanden wurde. Dieses Selbstverwaltungsorgan
ist künftig die Schaltstelle für die Integration des Landes in den preußischen Staat, noch mehr
aber die Pflegestätte des sich ausbildenden hohenzollerischen Selbstbewußtseins. Dieses
wurde primär gespeist von der Sonderstellung, die Hohenzollern sowohl innerhalb der preußischen
Monarchie wie gegenüber seinen Nachbarn einnahm. Von Friedrich Wilhelm IV.

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