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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1999/0128
Thomas Braun

Lechfelder Anlage für St. Luzen Vorbildfunktion ausübte. Für die Datierung von St. Luzen
ergäbe sich daraus der terminus post quem 1719. Er bestätigt die bisher angenommene Datierung
-

Die Bildwerke in ihrer Gesamtheit zerfallen in vier unterschiedliche Gruppen. Die mengenmäßig
bedeutendste unter ihnen umfaßt die tönernen Plastiken. Zum ganz überwiegenden
Teil bilden sie eine stilistische Einheit. Bis auf die 1., die 11. und die 12. Station treten sie
in jeder Bildnische bestimmend auf. Die Anzahl der dargestellten Personentypen ist überschaubar
. Da sind selbstverständlich die Jesusfiguren, die in jeder Szene vorkommen müssen.
Daneben finden sich fast immer Soldaten und Folterknechte. Seltener sind weibliche Figuren
und positiv dargestellte Männer. Nur in zwei Exemplaren ist ein Typ vertreten, den man als
»Juden« identifizieren kann.

Die Figuren, die der Sphäre des »Bösen« angehören, also der Gegnerschaft Jesu, sind in
der Uberzahl. Die männlichen Gestalten, außer den beiden in der 14. Station und natürlich
den Jesusfiguren, gehören dazu. Ihre Bosheit und Wut drücken sich nicht allein darin aus,
was sie tun, sondern auch darin, wie sie aussehen. Der Künstler verlieh ihren Zügen eine groteske
, zuweilen gar eine monströse Häßlichkeit (Abb. 3). Diese gezielte Uberzeichnung sollte
dazu dienen, den dargestellten Affekt eindeutig zu kennzeichnen. Bei den Figuren aus der
Anhängerschaft Jesu verfuhr er in gewissem Sinn ebenso. Nur verbot sich hier die drastische
Darstellung. Die von Klage durchsetzte Trauer und das stille Entsetzen verlangten für ihre
Darstellung, daß der Künstler im darstellerischen Bereich des Edlen und Gemessenen verblieb
(Abb. 4). Das gilt so auch für die Jesusfiguren. Aus diesem Grund vermied es der
Künstler wohl auch, den positiven Gestalten so individuelle Züge zu verleihen, wie den negativen
. Der Jesus mit dem schmalen, bärtigen Gesicht und den langen, in der Mitte gescheitelten
Haaren, entspricht einem Typ, der seit dem 6. nachchristlichen Jahrhundert in der bildenden
Kunst gebraucht wird und bis heute die allgemeine Vorstellung vom Aussehen Jesu bestimmt30
. Im Theater, in der Oper und im Oratorium des Barock war es üblich geworden, die
Darstellung eines mehr oder weniger großen Kanons von Affekten zum festen Bestandteil
ihrer zu erzielenden Wirkungen zu machen. In Ansätzen hat dies der Künstler der
St. Luzener Tonfiguren zu verwirklichen gesucht. Das Spektrum der Empfindungen, das er
für seine Figuren nutzbar machte, ist aber relativ eng. Auch konnte oder wollte er dabei keine
feine Nuancierungen erreichen. Er blieb bei relativ groben und eindeutigen Angaben. Es kam
ihm auf starke Kontraste an. Man hat hier wohl wieder an Parallelen zu den Passionsspielen
jener Zeit zu denken, die i.d.R. von Laien mit begrenzten Ausdrucksmöglichkeiten aufgeführt
wurden31.

Was er mit dem Gesichtsausdruck und der Gesichtsbildung zu Werke brachte, versuchte
er mit den Gesten seiner Figuren noch zu unterstützen. Dabei gelang es ihm aber selten, die
Natürlichkeit der Bewegung und die Dynamik dem plastischen Material abzugewinnen
(Abb. 5). Viele seiner Plastiken sind von einer geradezu als »Bewegungsunfähigkeit« zu
kennzeichnenden Steifheit betroffen. Das wirkt sich auf ihre Fähigkeit aus, eine Szene glaubhaft
darzustellen. Das Verhältnis der Figuren zueinander droht oft auseinanderzubrechen,
aus der Gruppe werden stets wieder Einzelfiguren. Damit gehen kompositorische Spannungselemente
verloren, die nicht mehr hinreichend durch glaubhafte Gesten und Dynamik
aufgebaut und erhalten werden. Die Figuren scheinen untereinander austauschbar zu sein,
und sie sind ja wohl auch schon des öfteren getauscht worden, wie es den Anschein hat. Man
gewinnt den Eindruck, der Schöpfer der Tonfiguren habe nicht den Auftrag gehabt, Szenen
zu schaffen, sondern eine Anzahl Soldaten, eine Anzahl Frauen, eine Anzahl Jesusfiguren
usw.

30 Hans Sibbelee: Das Bild Christi in der abendländischen Plastik. Freiburg/F. 1980. S. 19.

31 Vgl. Rolf Steinbach: Die deutschen Oster- und Passionsspiele des Mittelalters. Versuch einer Darstellung
und Wesensbestimmung. Kölner germanistische Studien. Bd. 4. Köln/Wien 1970. S. 159.

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