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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1999/0130
Thomas Braun

reicht (Abb. 13,14). Das Relief in Station 11 wird von zwei, das in Station 12 von vier Figuren
zusammengesetzt.

Jene figürlichen Darstellungen sind qualitativ vor die St. Luzener-Tonfiguren zu stellen.
In gewisser Weise sind es die Vorzüge, die dem schon besprochenen Christus aus Station 1
und der hölzernen Soldatenfigur aus Station 6 zuerkannt wurden (Abb. 9, 10), die nun auch
den Reliefdarstellungen vor den St. Luzener Tonfiguren gegeben werden können. Die Dynamik
der Szenen und die Plastizität der >Spielhandlung< ist bemerkenswert. Die Reliefs leisten
etwas, wozu die rundplastischen Figuren kaum taugen. Dabei muß der Gerechtigkeit halber
gesagt werden, daß die komponierten Bezüge der Figuren untereinander im Relief aus technischen
Gründen nicht verloren gehen können, wie das bei den Szenen geschehen kann, die
aus freibeweglichen Figuren zusammengesetzt sind. Im Bildwerk der Station 11 z.B.
(Abb. 13) sind die beiden Figuren untrennbar miteinander verbunden; sie überschneiden sich
und verschränken ihre Bewegungen. Denn sie sind aus gemeinsamen Werkstücken hergestellt
worden. Stets bleibt gewährleistet, daß die beabsichtigte Darstellung von >Spiel< und
>Handlung< wahrgenommen werden kann. Ganz ähnlich, doch unter größerem kompositorischem
Aufwand, bleibt die Szene der Station 12 so >eingefroren<, daß sie in der Güte erhalten
blieb, wie sie der Künstler zu schaffen vermochte.

Die Herkunft der beiden Reliefs scheint klar zu sein. Laur und Genzmer stellten schon zu
ihrer Zeit fest, daß sie erst im Jahr 1818 in den Kreuzweg eingefügt wurden. Sie stammen aus
der Hechinger Schloßkapelle, die damals mit dem größten Teil des Schlosses abgebrochen
worden ist34. Aus den Quellen zum Schloßbau weiß man, daß Joachim Taubenschmid im
Jahr 1595 für die Schloßkapelle einen Kreuzweg zu sieben Stationen schuf. Die Hohenzolle-
rische Landessammlung besitzt ein Relief und eine Reihe von Einzelfiguren davon. Die beiden
St. Luzener Reliefs lassen sich in der Tat damit vergleichen (Abb. 15). Die Pfarrkirche
St. Silvester in Jungingen/Hohenzollern bewahrt ebenfalls Taubenschmidsche Originale aus
der Schloßkapelle auf. Ein Vergleich damit bestätigt Taubenschmid als Autor der beiden
St. Luzener Reliefs. Der Apostelkopf in St. Silvester ähnelt stark dem Kopf des nagelnden
Soldaten im Relief von Station 12 (Abb. 14). Der St. Luzener Kreuzweg wurde, als die beiden
Taubenschmid-Reliefs ihm eingefügt wurden, zwar in seiner stilistischen Homogenität gestört
. Doch erfuhr er dadurch auch eine Aufwertung. Denn er wurde zum Aufbewahrungsort
von bedeutenden Relikten der Kunst aus der Zeit, als das Schloß in Hechingen erbaut und
die Kirche St. Luzen ihre wertvolle Ausstattung erhielt.

Die Szene, die im Relief der 12. Station gezeigt wird, umfaßt eigentlich den Stoff von zwei
Kreuzwegstationen. Die »Kleiderberaubung« und die »Annagelung an das Kreuz« sind vom
Künstler zusammengefaßt worden. Da beide Szenen an das Ende des Kreuzwegs gehören, ist
die Unterbringung des Bildwerks an dieser Stelle im St. Luzener Kreuzweg ganz richtig. Das
andere Relief, das eine Position vor der Doppelszene steht, ist hier vollkommen fehl am
Platz. Diesen Platz erhielt es wahrscheinlich, weil der Inhalt der Darstellung unrichtig interpretiert
wurde. Man sah in ihm die »Kleiderberaubung« und zog die Konsequenz, das Bildwerk
ans Ende des Kreuzwegs zu rücken. Der Verantwortliche sah zwar, daß das erzählende
Moment mit der Kleidung Christi zu tun haben mußte. Aber er ignorierte die Geste und den
Gesichtsausdruck der rechten Figur. Sie versucht nicht, Jesus das Gewand zu entreißen, sondern
sie erfaßt einen Zipfel des Mantels, schlägt diesen zurück und entblößt damit den Körper
Jesu zum Teil. Ihr Gesicht ist dabei nicht von Haß gezeichnet, wie das bei den Soldaten
der St. Luzener Tonfiguren zu sein pflegt. Viel eher ist darin etwas wie Mitleid zuerkennen.
Das alles spricht für die Szene, die in Johannes 19.5 geschildert wird. Pilatus führt dort Jesus
nach der Geißelung noch einmal der Menge vor und spricht die an die Volksmasse gerichteten
Worte: »Ecce Homo«. Die christliche Theologie hat aus Pilatus eine positive Figur im
Passionsgeschehen gemacht. Die bildende Kunst folgte ihr im allgemeinen darin und stellte

34 S. Anm. 18.

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