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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2000/0034
Paul Münch

sehe Bastion des Weimarer Staates*7. Sie hielt den vielen extremistischen Angriffen
von rechts und links lange stand, mußte sich als wehrhafte Demokratie aber von
ihren Gegnern den Vorwurf gefallen lassen, die übelsten repressiven Traditionen
Preußens fortzusetzen. Die preußischen Regierungen, die zwischen 1919 und dem
Staatsstreich Papens vom 20. Juli 1932 amtierten, waren weit stabiler als die
Reichsregierungen. Die Koalitionen aus SPD, DDP und Zentrum konnten sich bis
zu Papens Preußenschlag und bis zur gewaltsamen nationalsozialistischen Gleichschaltung
auf eine Beamtenschaft stützen, deren führende Vertreter in der Mehrzahl
zuverlässige Demokraten waren. Der sozialdemokratische Ministerpräsident
Otto Braun führte die Stabilität des Landes auf den spezifisch preußischen Stil seiner
Politik zurück: Preußen ist nie preußischer regiert worden als in meiner Amtszeit
^. Das Ende des demokratischen Preußen war freilich besiegelt, als konservative
preußische Kräfte der anderen Couleur mit den Nationalsozialisten gemeinsame
Sache gegen die Demokratie machten. Das janusköpfige Bild Preußens, das in
doppelter Funktion zugleich in die Geschichte der deutschen Demokratie wie der
deutschen Diktatur hineinragt, konnte Stütz- und Störfaktor in einem sein89. Die
Nationalsozialisten und ihre konservativen und reaktionären Gesinnungsfreunde
mißbrauchten die historischen Gestalten Friedrichs des Großen und Bismarcks für
ihre antidemokratischen Diffamierungsfeldzüge90, die liberalen und demokratischen
Parteien bemühten sich umgekehrt, das was sie preußischen Geist und preußisches
Ethos nannten, für den demokratischen Aufbau zu nutzen. Diese ambivalente
Funktionalisierung war möglich, weil das Herzstück der preußischen Ideologie
, die sogenannten preußischen Tugenden - oder besser Sekundärtugenden -
Ordnung, Sparsamkeit, Pflichtbewußtsein, Disziplin und Schlagkraft als effiziente
ideologische Instrumente in Demokratien nicht weniger als in Diktaturen eingesetzt
werden konnten91.

Für Hohenzollern bedeutete das Ende der Monarchie und die Ausrufung der
Weimarer Republik einen tiefen Einschnitt. Mit der Flucht Wilhelms II. waren die
dynastischen Bindungen ihrer prominentesten Stütze verlustig gegangen. Man
mußte sich im Kaiserstammland fragen, ob die Zugehörigkeit zu Preußen, sofern
sich andere Anschlußmöglichkeiten boten, vielleicht nicht besser aufgekündigt
werden sollte. In Hechingen forderten am 14. November 1918 - sage und schreibe -
800 Bauern vor dem Oberamtsgebäude lautstark die Entfernung des preußischen
Adlers: Fort mit den Preußen! Ra mit dem „schwaze Vogel!"92 Doch auch konser-

87 Vgl. generell: Karl Dietrich Bracher: Preußen und die deutsche Demokratie, in:
Preußen. Beiträge zu einer politischen Kultur (Preußen. Versuch einer Bilanz. Eine Ausstellung
der Berliner Festspiele GmbH, Katalog, Bd. 2). Hrsg. von Manfred Schlenke. Reinbek
1981, S. 295-310; Zitate ebd., S. 295.

88 Zitiert ebd., S. 297.

89 Zitiert ebd., S. 304.

90 Vgl. ebd., S. 303.

91 Vgl. hierzu insbesondere: Christian Graf von Krockow: Warnung vor Preußen. Berlin
1981.

92 Zitiert bei Fritz Kallenberg (Hrsg.): Hohenzollern (wie Anm. 15), S. 181 nach dem maschinenschriftlichen
Manuskript von Karl Sauerland: Die Verwaltung in den Hohenzolleri-

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