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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2000/0044
Paul Münch

Geschichte den entscheidenden Wurf gewagt™ hat. Von Tresckow handelte offenkundig
aus einem Verständnis des Preußentums, das in Teilen auch heute, weil es
mit demokratischen Grundwerten kompatibel erscheint, noch Akzeptanz finden
könnte. In einer Rede im April 1943 anläßlich der Konfirmation seiner beiden Söhne
in der Potsdamer Garnisonskirche131, sagte er: Vom wahren Preußentum ist der
Begriff der Freiheit niemals zu trennen. Wahres Preußentum heißt Synthese zwischen
Bindung und Freiheit, zwischen Stolz auf das Eigene und Verständnis für Anderes
. Nur in der Synthese liegt die Aufgabe des Preußentums, liegt der preußische
Traum.

Doch was ist wahres Preußentum} Gehört dazu auch jene Pflichterfüllung bis
zum Letzten, die nicht nur von Tresckow132, sondern auch von den Himmlers und
Eichmanns in Anspruch genommen wurde? Die Antworten der Geschichte, selbst
der Miniaturgeschichte des Zollernlandes, fallen so verschieden aus wie die Traditionen
, auf denen die unterschiedlichen Preußenbilder gründen. Schwarz und Weiß
sind keine Beschreibungskategorien, mit denen man die preußische Geschichte objektiv
erfassen könnte, sondern stets nur Einfärbungen der preußischen Vergangenheit
, die wir im Nachhinein vornehmen - mit mehr oder weniger plausiblen Begründungen
. Sie verraten mitunter wenig über das reale Preußen, doch sie reflektieren
wie in einem Spiegel die Träume und Traumata preußischer Passionen. Dies ist
heute nicht anders als vor hundertfünfzig Jahren133.

130 Zitiert bei Sebastian Haffner/Wolfgang Venohr: Preußische Profile. Erweiterte
Neuausgabe Frankfurt a.M./Berlin 1986. S.286.

131 Ebd., S. 285.

132 Ebd.

133 Insofern müssen generelle und abschließende Urteile über den Einfluß Preußens auf das
Zollerland umstritten bleiben. Einer der besten Kenner der Materie, Eberhard Gönner, hat
etwa davon gesprochen, die Preußenzeit habe in Hechingen eine offene Gesellschaft entstehen
lassen, eine aus vielen Elementen bestehende Gesellschaft ohne Standesgegensätze, in der sich
politische und religiöse Toleranz und Liberalität entwickeln konnten. Vgl. Eberhard Gönner
: Hechingen in preußischer Zeit (wie Anm. 15), S. 115. Wenn es denn tatsächlich so gewesen
sein sollte, wo sind Toleranz und Liberalität nach 1918 geblieben? Die viel beschworene
preußische Identität hat in Hohenzollern offensichtlich weder antidemokratische Entwicklungen
verhindert, noch, was weit bedrückender ist, dem nazistischen Terror Widerstand entgegensetzen
können. Nach allem, was wir wissen, muß man sogar fragen, ob nicht das reibungslose
(preußische?) Funktionieren, beispielsweise der Hechinger Stadtverwaltung, die
barbarischen Vorgänge bei der Judenverfolgung noch beschleunigt hat.

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