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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2000/0120
Monika Spiller

Licht und Farben erfaßt, einem vorimpressionistischen Malstil. Anschaulich wird
dies zum Beispiel in „Spannende Lektüre", 1902 (Abb. 10), „Knabe unterm Obstbaum
liegend", 1902 oder auch „Knabe mit Hut und Apfel", 1903.

In diesem Zusammenhang verdient das kleine Gemälde „Hochzeit Prinz Ferdinands
von Hohenzollern-Sigmaringen mit Maria von Großbritannien" (Abb. 12),
sie fand am 10.1. 1893 in St. Johann statt, besondere Erwähnung. Die lichterfüllte,
geradezu flirrende Pracht des festlichen Kirchenraums, die Bildkomposition, die ihr
Augenmerk nicht in erster Linie auf das gesellschaftliche Ereignis, die Fürstenhochzeit
, lenkt, sondern vielmehr auf den Eindruck einer großen, summarisch aufgenommenen
Menschenmenge, die das Kirchenschiff einnimmt, verdeutlichen eindrucksvoll
, wie weit Bregenzer sich künstlerisch von den biederen Auftragswerken
entfernt hatte. Mit Verve stellt er hier die Menschenmasse dar, indem er expressiv
und souverän in den dunklen, mit Farbflecken rhythmisch strukturierten Vordergrund
des Bildes die Umrisse der Figuren mit dem Pinselstiel in die Farbfläche hineingezeichnet
, ja geradezu hineingerissen hat; diese Arbeit zeigt ihn als Maler auf
der Höhe seiner Zeit.

Auch in dem repräsentativen Dreiviertelfigur-Porträt von „Dr. Johannes Longard
im Garten" (Abb. 13) wird Bregenzers künstlerische Entwicklung dokumentiert
. Während sich der Maler in der Porträtdarstellung um genaue und lebendige
Wiedergabe der individuellen Züge und zugleich auch des Charakters des Mediziners
bemüht, geht er mit großer Freiheit an die Behandlung des Hintergrunds. Er
nimmt den Porträtierten im dunklen Gehrock, den Hut in der Rechten, leicht nach
rechts gewandt, mit einem leisen Lächeln auf den Lippen und wachen Augen auf.
Ungezwungen steht er vor der üppigen Vegetation eines weitläufigen Gartens (vermutlich
der Longardschen Villa in Hedingen). Mit raschem, sicherem Pinselduktus
umreißt der Maler Stauden, Farne, Blütenbüsche, Baumkulisse, die durch Hell-
Dunkelkontrast Tiefe und Plastizität gewinnen und schafft so eine intime Atmosphäre
, die dem Porträt innere Größe gibt.

In der Schonungslosigkeit und künstlerische Freiheit der Selbstporträts begegnet
man dem Maler Gustav Bregenzer gewissermaßen „hautnah". So viel Nähe ist für
manchen Kunstfreund nicht leicht zu ertragen. So erging es Pater Ansgar Pöllmann
angesichts des Selbstporträts von 1905 (Abb. 14), das sich im Besitz der Stadt Sigmaringen
befindet und das nun nicht zuletzt als Titelbild des Ausstellungskatalogs
erneut Aufmerksamkeit auf sich zog. Er bezeichnete es vor Jahrzehnten als krauses
Bild, in dem sich gräßlichste Selbstverspottung ausdrücke 20. Ähnliche Meinungen
hörte ich zu meiner Verwunderung auch bei der Vorbereitung der Gedenkausstellung
in Sigmaringen. Und gerade dieses Bild war für mich der innere Antrieb, mich
für eine angemessene Würdigung des Malers einzusetzen! Wir werden einer solchen
Arbeit nur gerecht, wenn wir sie als das sehen, was sie ist: ein autobiographisches
Dokument. Zu den kunstgeschichtlich interessantesten und wertvollsten Beispielen
des künstlerischen Selbstporträts gehören jene Werke, in denen nicht Repräsentation
und Selbstinszenierung, sondern Selbstbefragung und Selbstbekenntnis zum
Ausdruck kommen und in denen - über das Persönliche hinausgehend - zugleich

20 Ansgar Pöllmann: In: HVZ vom 11.10.1924.

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