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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2000/0184
Jürgen Treffeisen

des bestätigt56. Dort wurden als Sofortmaßnahmen der freiwilligen Selbstgleichschaltung
unter anderem folgendes gefordert: Die Wahl des vorgeschlagenen und
genehmigten Führers wird durch Aufstehen von den Plätzen vorgenommen. Der
neue Führer übernimmt sein Amt und setzt den parlamentarischen Grundsatz außer
Kraft, Abstimmungen gibt es dann nicht mehr. Der Vereinsführer ernennt den
Turnrat, und die Mitglieder des Turnrats ernennen sich ihre weiteren Unterführer
selbst. Die vollkommene Arisierung ist bis zum 20. Mai zu melden. Aktive Marxisten
sind sofort auszuschließen, andere haben einen Verpflichtungsschein zu unterschreiben
. Schnell und entschieden hatte sich allerorten die Führung der lokalen
Turnvereine, auch die Sigmaringer, von den bislang praktizierten Grundsätzen der
Liberalität, der politisch-religiösen Toleranz und der demokratisch-parlamentarischen
Ordnung getrennt. Diese Entwicklung hatte sich schon seit Jahrzehnten angebahnt
. Die Sigmaringer Turner bildeten keine Ausnahme. Doch alle überlieferten
Quellen bieten im wesentlichen nur einen Einblick in die Tätigkeit der Vorstandschaft
. Hier finden sich einige wenige aussagekräftige Schriftstücke, die einen „vorauseilenden
Gehorsam" der Sigmaringer Vereinsspitze eindeutig belegen57. Wie die
Mehrzahl der Mitglieder, oder gar einzelne Mitglieder dachten, wird weder aus den
Zeitungsartikeln noch dem Protokollbuch ersichtlich. Allerdings wurden die Vereinsvorsitzenden
(bzw. die vorzuschlagende Person), auch wenn sie nun Führer genannt
wurde, bis mindestens zu Anfang der 1940er Jahre in Sigmaringen von der
Jahreshauptversammlung gewählt. Es gibt allerdings Beispiele bei anderen Vereinen
, bei denen sich Vereinsführer mehr oder weniger selbst ernannten58.

Im Protokollbuch finden sich auch vereinzelt Eintragungen zu den politischen
Ereignissen. Der Eingliederung Österreichs und des Sudentenlands wird 1938 ein
breiter Raum eingeräumt: Das Jahr 1938 kann nicht abgeschlossen werden, ohne
auch hier die beiden weltpolitischen Geschehen, die Heimkehr der Ostmark
(Deutschösterreich) am 13. März und des Sudentenlandes am 1. Oktober ins Reich
zu erwähnen. Der Turnplatz war in beiden Ländern nicht nur der Ort der turnerischen
Ausbildung, sondern ... der Mittelpunkt des politischen Geschehens und Lebens
. Ausführlicher wird auch der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs kommentiert:
Am Freitag den 1. September 1939 früh 5.45 Uhr ist von den deutschen Truppen -
auf die polnischen Übergriffe hin - das Feuer an der polnischen Grenze eröffnet
worden und es folgte der Feldzug der 18 Tage gegen Polen. Seit Montag den 4. September
1939 betrachtet sich England und (ein, zwei Stunden später) Frankreich im
Kriegszustand mit Deutschland befindlich. Die Besetzung Dänemarks und Norwegens59
, der Angriff auf Holland, Belgien und Frankreich60 1940 werden ebenso wie

56 Das folgende ist zitiert nach Bernett: Schulter an Schulter (wie Anm. 3) S. 67.

57 Zu den Verhältnissen im Schwäbischen Turnerbund und den diesem angeschlossenen Vereinen
siehe Krüger, Klimmzüge (wie Anm. 3) S. 126 f.: Es gab aber auch viele Mitglieder und
Meinungsführer in den Vereinen und Verbänden, die die Politik der Nationalsozialisten nicht
nur mehr oder weniger billigend hinnahmen, sondern auch aktiv unterstützten.

58 Krüger, Klimmzüge (wie Anm. 3) S. 127.

59 Am 9. April 1940 begann die Besetzung von Dänemark und Norwegen.

60 Am 10. Mai 1940 begann der Angriff über Holland, Belgien und Frankreich, der am
25. Juni endete.

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