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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2000/0200
Neues Schrifttum

Die Einschränkung soll fragen, ob nicht im Ganzen doch die heutige Landesmitte
, also Alt-Württemberg, vor andere Landesteile gestellt wird. Für den Bodensee-
Raum, noch mehr für das Rheintal, vielleicht auch für Ulm, wird ihre je unterschiedliche
Epochen-Zentralität und damit auch die Bedeutung ihrer kulturellen
Fruchtbarkeit weniger offensichtlich als für den Stuttgarter Raum zu seiner Zeit.
Natürlich hängt das damit zusammen, daß diese Räume nur teilweise und im Fall
des Rheintals gar ohne ihre Metropolen Basel und Straßburg zu Baden-Württemberg
gehören.

Erstaunlicherweise gelingt es Kluckert dennoch, für den heutigen Raum Baden-
Württemberg in seiner Geschichte gemeinsame Charakteristika anschaulich zu machen
und reich zu belegen. Davon ist die Vielfalt der Herrschaften und Organisationsformen
, die sich erst im 19. Jahrhundert in Mächte mittlerer Größe zusammenfaßt
, natürlich bekannt. Aber Kluckert vermag sie wirklich als Reichtum nicht nur
in den Ergebnissen, sondern auch in der Lebensenergie der künstlerischen Entwicklungen
vorzustellen. Und sie wurzelt nicht nur hier oder da landsässig - das tut
sie gewiß auch -, sondern sie findet ihre Formen im Dialog der verschiedenen Kräfte
und in Ein- und Ausstrahlung über die Grenzen des Landes hinaus.

Dieser Dialog aber war nie „völkisch" begrenzt. Das ist nicht nur für das Land
der Staufer undenkbar. Vielleicht der überraschendste - für mich auch der schönste
- Aspekt des Buches ist die Nähe Baden-Württembergs zur romanischen Welt. Das
war zu Zeiten gewiß auch eine zu erleidende Nähe. Aber es war in der Epoche der
Römer, der Staufer, der Renaissance wie in Barock und Klassizismus doch vor allem
Befruchtung und zugleich die Ausgestaltung einer europäischen Gemeinsamkeit.
Alle Kapitel hierzu sind gut belegt und lebendig dargestellt. Mit der Vorstellung
und dem Begriff der „schwäbisch-italienischen Kunstwerke" scheint mir Kluckert
die Kunstgeschichte des südwestdeutschen Raums gültig zu akzentuieren und zu
erweitern.

Methodisch sieht Kluckert die Kunst nicht isoliert formgeschichtlich, sondern
innerhalb der Lebensprozesse in ihrer geschichtlichen Entwicklung und im Zusammenhang
damit. Dabei verfährt er eher exemplarisch. So wird nur für Mittelalter
und Renaissance Architektur von den Bauaufgaben her als Palast, Kirchturm, Burg,
Haus/Rathaus beschrieben. Im übrigen wechseln bekannte und allgemeine Feststellungen
mit sehr detaillierter Darstellung der Chorturmkirchen z.B. oder der Badekultur
. Anderes vermißt man doch, so innerhalb der zentralen Epochen die Form-
findung für Handel und Gewerbe. Nicht zufällig fehlt Ravensburg überhaupt im
Register. Von den Märkten wird zwar als Organisationsform des Städtebaus gehandelt
, ihre eigene Form bleibt aber unbegründet.

Noch schwerer wiegt, daß die gewiß schwierige Frage nach dem Beweggrund der
Kunstgeschichte, nach dem Grund ihres Wandels in Form und Rolle so recht keine
Antwort findet. So erscheint Kunst eher als Inventar der Geschichte denn als ihr
Propeller. Kluckert wird mit einem gewissen Recht das Buch von einer solchen Fragestellung
überfordert finden. Die Lücke zeigt sich dann aber doch bei der Darstellung
der Kunst des 20. Jahrhunderts schmerzlich: „Abstraktion und Konkretion"
und „Neue Figuration und entlehnte Formation" stellen das Jahrhundert hälftig teilend
Gemälde und Plastik vor, gewiß kenntnisreich, aber ohne auch nur Thesen zu

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