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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2000/0228
Neues Schrifttum

Bevölkerung aber bestimmte wiederum in erheblichem Maße auch die spezifische
Position gegenüber dem Staat in der Revolutionszeit. Bewußt hat Dietrich dabei
den Untersuchungszeitraum bis auf das Jahr 1852 heraufgesetzt, um auch die unmittelbaren
Nachwirkungen in seine Analysen einbeziehen zu können.

Bei aller Unterschiedlichkeit der Stellung der beiden großen Konfessionen im
württembergischen Staat wurden die revolutionären Ereignisse übergreifend eben
nicht nur politisch, sondern auch in einem theologischen, geradezu heilsgeschichtlichen
Sinne, wahrgenommen. Während allerdings in protestantischen Kreisen die
Revolution maßgeblich als Strafgericht Gottes über die Aufklärung interpretiert
wurde, so in katholischen Kreisen als Akt der Befreiung von staatlicher Bevormundung
und Eintritt in eine neue Zeit. Die deutlichen Divergenzen zwischen den
Konfessionen in den von Dietrich angesprochenen Punkten, beruhend auf der völlig
unterschiedlichen Ausgangslage der Konfessionen, werden immer wieder deutlich
herausgearbeitet. Gerade das Gefühl, in einer Zeit des Aufbruchs zu leben, ist
in katholischem Umfeld deutlich spürbar, auch wenn das zunächst spürbare positiv
-optimistische Denken mit Verlauf der Revolution bald wieder in ein eher negativ
-pessimistisches umschlug.

Gleichwohl ist der emanzipatorische Schub, das zunehmende Selbstbewußtsein
der Katholiken, nicht zu übersehen. Dies gilt nicht nur für das bewußte Anknüpfen
an die Tradition des Heiligen Römischen Reiches bzw. die darauf aufbauende Favorisierung
der großdeutschen Lösung, sondern auch für die hier weitgehend demonstrierte
Neutralität gegenüber der Staatsverfassung, die einzig den in der Kirche gebührenden
Freiraum in den Mittelpunkt stellte. Dennoch gab es schwerwiegende
theologische Gründe, sich an dem Modell der Monarchie als der Grundlage der europäischen
Zivilisation zu orientieren. Beide Konfessionen waren sich jedoch mehrheitlich
darin einig, daß das Prinzip der Volkssouveränität als unchristlich zu gelten
habe und zeigten erhebliche Vorbehalte gegen die Form der Demokratie bzw. Republik
.

Das dominierende Bestreben der katholischen Kirche nach Unabhängigkeit von
staatskirchlicher Beeinträchtigung war naturgemäß bei der evangelischen Kirche
nicht zu konstatieren. Hier standen eher religiös-theoretische Überlegungen im
Vordergrund, wie z.B. über den Standort von Reformation und Protestantismus als
Grundlage eines deutschen Nationalstaates oder die Erarbeitung einer autonomen
Kirchenverfassung angesichts der beabsichtigten Trennung von Kirche und Staat.
Deutlicher ausgeprägt zeigten sich denn auch die Bemühungen der Katholiken um
Beibehaltung eines engen Konnexes zwischen Kirche und Volksschule bzw. der Sicherung
geistlichen Einflusses auf das Schulwesen, die sich in einer intensiven
Adressen- und Petitionsbewegung artikulierte. Auch die Organisation bzw. der
Aufbau katholischer Vereine lag auf dieser Linie, zunächst 1848 noch mit kirchenpolitischer
, dann seit 1849 zunehmend mit sozial-caritativer Zielrichtung. Das Vereinsrecht
als eine der wichtigsten Errungenschaften der Revolution wurde vor allem
von katholischer Seite gezielt genutzt. Hier lagen auch ganz wesentliche Momente
für die Fundamentierung eines politischen Katholizismus, gegenüber den sich wiederum
deutlich feststellbaren Aversionen gegen jede Art von Organisationen auf
protestantischer Seite.

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