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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2001/0143
Hohenzollern im Jahre 1862 mit den Augen einer englischen Preußin

wurde. Da der durch die Revolution ausgelöste Regierungswechsel im traditionell
süddeutsch-katholisch geprägten Hohenzollern nicht reibungslos verlaufen war20,
galt es zum einen, die Bevölkerung für die neue preußische Herrscherfamilie21 einzunehmen
, andererseits sollte dieser gegenüber eine loyale Gesinnung zum Ausdruck
gebracht werden, um sich deren Wohlwollen zu sichern. Nicht zuletzt stellte ein solcher
Besuch für die Bewohner einer Kleinstadt wie Hechingen, das zudem seit dem Fortgang
des letzten Fürsten von Hohenzollern-Hechingen den Status einer permanenten
Residenz verloren hatte, ein außergewöhnliches gesellschaftliches Ereignis dar, zumal
sich die seltene Möglichkeit bot, Angehörige der Hocharistokratie aus nächster Nähe
sehen oder - für einige auserwählte Bürger - sogar persönlich sprechen zu können.

Den ausführlichen Berichten der Lokalpresse22 zufolge verkündeten in Hechingen
schon am Vormittag des 8. Oktober Böllerschüsse und das Läuten sämtlicher Kirchenglocken
die Ankunft des Thronfolgerpaares an der Landesgrenze, wo es von
Regierungspräsident Seydel und Oberamtmann von Frank empfangen wurde. Am
Eingang der Stadt war eine Ehrenpforte errichtet worden, an der Bürgermeister Baur
die hohen Gäste unter Anwesenheit des Stadtrates, des Bürgerausschusses sowie aller
Lehrer und Schüler begrüßte. Daraufhin wurde die Fahrt durch die von der Hechinger
Bevölkerung gesäumten Straßen bis zur Villa Eugenia fortgesetzt, in der eine Vorstellung
der Beamten, Honoratioren und Geistlichen erfolgte. Danach begab sich das
Kronprinzenpaar mit seinem Gefolge schließlich zur Mittagszeit auf die Burg
Hohenzollern, deren Besichtigung sowohl für Friedrich Wilhelm, als auch Victoria
den ersten Höhepunkt ihrer langersehnten Reise markierte, wie aus ihren geradezu
enthusiastischen Aufzeichnungen und Briefen zweifelsfrei hervorgeht. Der Kronprinz
vermerkte hierzu in seinem Tagebuch: Stammburg Hohenzollern! 9 Uhr von
Tübingen nach Hechingen, wo freundlicher Empfang. Dann auf die herrliche
Stammburg, die, anfangs von Nebeln umhüllt, je mehr wir uns näherten, klarer hervortrat
und dann beim herrlichsten Herbstsonnenschein vor uns stand. Welche Wonne
, endlich diese Stätte betreten zu können und namentlich mit dem lieben Frauchen
[Kosename für Victoria]/ - Die Stammburg ist eins der herrlichsten Gebäude, die
[sie] ich gesehen, und die Lage einzig stolz und vornehm21'. Victoria, die erst zwei Tage
später Zeit für die obligatorische Korrespondenz mit ihrer noch in Coburg weilenden
Mutter fand, berichtete in ähnlich euphorischem Tonfall: Our expedition to Hohenzollern
was most successful: anything so grand, so imposing or beautiful I never saw,
as the Burg Hohenzollern! Fancy in the midst of the hüls called the Rauhe Alp [sie] -
a pointed hill rising straight up 3000 feet (as high as the Brocken), with the beautiful

20 Vgl. den Begleitband zur Ausstellung „Preußen in Hohenzollern" (hg. vom Haus der Geschichte
Baden-Württemberg und dem Staatsarchiv Sigmaringen), Sigmaringen 1995, passim.

21 Der gemeinsame Ursprung der schwäbischen und preußischen Hohenzollern reicht zwar
in das späte 12. Jahrhundert zurück, doch verlief die nachfolgende Entwicklung der beiden
Linien weitgehend unabhängig voneinander. Bezeichnenderweise nimmt die Hervorhebung
einzelner gemeinsamer Berührungspunkte zwischen den Familienzweigen in der Ausgestaltung
der ab 1850 wiederhergestellten Burg Hohenzollern eine wesentliche Rolle ein, vgl.
Bothe (wie Anm. 18) passim.

22 Hohenzollernsches Wochenblatt, Nr.114, 10.10.1862, S. 1; Nr. 115, 12.10.1862, S. L

23 Tagebucheintragung des Kronprinzen vom 8.10.1862, Meisner (wie Anm. 12) S. 163f.

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