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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2001/0216
Burghard Weiss

der USA, unterhielt an der Berner Gesandtschaft einen Stützpunkt23. In den Berichten
des OSS Bern taucht Dällenbach erstmals im September 1943 auf mit dem Hinweis
, daß er nicht genauer spezifizierte Experimente, die zunächst in Berlin begonnen
worden seien, nun in einer Textilfabrik in Bisingen fortsetze. Ziel der Arbeit solle die
Entwicklung verheerender Explosivstoffe sein24.

Das war, wie eingangs angedeutet, jene Art von Meldungen, die der Journalist
Thomas Johnson nach dem Krieg an die amerikanische Öffentlichkeit brachte. Quelle
dieser wenig präzisen Informationen war der Berliner Wirtschaftsprofessor und Konsul
Erwin Respondek (Deckname „Ralph"), der über gute Verbindungen zu Kreisen
der deutschen Industrie verfügte und mit Sam Woods, dem Wirtschaftsattache der
USA in Berlin und später Bern, in Verbindung stand25. Präzisere Informationen dagegen
stammten von dem Zürcher Physiker Paul Scherrer, der dem OSS unter dem
Decknamen „flute" („Flöte") zuarbeitete26. Durch seine engen persönlichen Kontakte
zu deutschen Physikern, die auch während des Krieges nicht abrissen, war Scherrer
über institutionelle und personelle Veränderungen, die sich in der Wissenschaftslandschaft
des „Dritten Reiches" abspielten, ungewöhnlich gut informiert. Scherrer empfing
mehrfach Besucher aus Deutschland, u. a. Dällenbach und Wolfgang Gentner, die
er bei der Gelegenheit informationell „abzuschöpfen" versuchte27.

Allerdings erwies sich Scherrer aus heutiger Sicht oft als unkritisch bzw. dogmatisch
, wenn es um die in seinen Berichten enthaltenen politischen Einschätzungen
ging. So unterschiedliche Persönlichkeiten wie Manfred von Ardenne, Wolfgang
Gentner, Fritz Houtermans und Carl Friedrich von Weizsäcker galten ihm allesamt
als Nazis, und dies allein deshalb, weil sie mit den Behörden des „Dritten Reiches"
zusammenarbeiteten. In Scherrers Raster mußte auch Dällenbach in die Rubrik
„Nazi" fallen. Neben den Spezifika der Quelle Scherrer muß auch die Art und Weise
in Betracht gezogen werden, wie dessen Informationen weiter vermittelt wurden,
da sich daraus noch weitere Möglichkeiten der Vergröberung ergaben.

Die Informationen wurden in der amerikanischen Gesandschaft in Bern zu knappen,
oft nur eine Seite langen Berichten komprimiert, die vom Leiter der Gesandschaft,
Allen Dulles, telegrafisch nach Washington übermittelt wurden, wo sie von Major
Robert R. Furman, dem Abwehrbeauftragten des Manhattan-Projekts, weiter verdichtet
wurden, bevor sie schließlich dessen Leiter, General Graves, erreichten.
Geheimdienstberichte dürfen, wie Militärs und Historiker wissen, nicht mit Fakten
gleichgesetzt werden28. Sie stützen sich oft auf Gerüchte, Mutmaßungen, Hören-
Sagen und geben Anlaß zu Fehleinschätzungen. Dies ist offensichtlich, so können wir
nun annehmen, bei der Forschungsstelle Dällenbach der Fall gewesen.

23 Vgl. Werner Rings: Schweiz im Krieg 1933-1945, 9. Aufl., Zürich 1997. S. 360-361.

24 NARA RG 77, Entry 22, box 171.

25 S. dazu John Dippel: Two Against Hitler, sowie Dokumente in NARA RG 77, Entry 22,
box 166.

26 Thomas Powers: Heisenbergs Krieg. Die Geheimgeschichte der deutschen Atombombe.
Hamburg 1993. S. 373-381.

27 Powers 1993, S. 377.

28 „Fakten sind eine Sache, Geheimdienstberichte eine andere." Powers 1993, S. 381.

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