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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2001/0225
„Forschungsstelle D" in Bisingen

Die dramatische Verschärfung der Luftlage des Deutschen Reiches, die sich 1943
in einer immer erdrückenderen Ubermacht der alliierten Luftflotten auszudrücken
begann, ließ kluge Köpfe auf Abhilfe sinnen. Der Leipziger Universitäts-Professor
für Mineralogie, Petrographie und Feinbaulehre, Dr. Ernst Schiebold, seines Zeichens
auch auswärtiges wissenschaftliches Mitglied des KWI für Metallforschung in Stuttgart
und darüber hinaus Leiter des 1935 gegründeten privatwirtschaftlichen Instituts
für röntgenologische Roh- und Werkstofforschung in Leipzig, schlug der Luftwaffe
im April 1943 vor, fokussierte Röntgenstrahlen zur Vernichtung herannahender
Feindflugzeuge zu verwenden: Die Röntgenstrahlen sollten entweder die Besatzungen
direkt töten oder die Kolbenmotoren durch Vorionisation außer Betrieb setzen
und so die Flugzeuge zum Absturz bringen63.

Obwohl Schiebolds hochfliegende Ideen von Fachleuten bald auf den harten
Boden der Tatsachen zurückgeholt wurden, stießen sie bei der Luftwaffe auf williges
Gehör: Generalfeldmarschall Erhard Milch, Generalinspekteur der Luftwaffe und
Generalluftzeugmeister64, erteilte Schiebold einen geheimen „Sonderauftrag", der
diesen regelmäßig ins RLM nach Berlin, zu den Junkers Flugzeug- und Motorenwerken
nach Magdeburg sowie ab Juni 1943 auch zu der eigens gegründeten „Forschungsstelle
der Luftwaffe" in Groß-Ostheim bei Aschaffenburg führte65.

Wenngleich Schiebold scheitern mußte, da die in Beschleunigern der Zeit verfügbaren
Leistungen um viele Größenordnungen zu gering waren, um die angestrebten
Ziele zu erreichen, hatte sein Projekt immerhin zur Folge, daß die Forschungsabteilung
der Luftwaffe Interesse an intensitätsstarken Röntgenquellen und somit auch an
Teilchenbeschleunigern entwickelte.

Seit Ende der zwanziger Jahre war die Entwicklung der Röntgentechnik von dem
Trend gekennzeichnet gewesen, immer härtere, d. h. energiereichere Röntgenstrahlen
einzusetzen, da man sich davon neue Möglichkeiten sowohl in medizinischer, als auch
technischer Hinsicht versprach (Tiefentherapie bzw. Materialprüfung). Röntgenstrahlen
werden erzeugt, indem man in einer hochevakuierten Röhre Elektronen
zunächst beschleunigt und dann auf ein Target (Anti-Kathode) aus Metall prallen
läßt, wo ein Bruchteil ihrer kinetischen Energie in Röntgenstrahlen umgesetzt wird,

ergeht sich entweder in vagen, auf Gerüchten basierenden Hinweisen oder übersieht dieses
Gebiet völlig. Vgl. Otto Wilhelm von Renz: Deutsche Flug-Abwehr im 20. Jahrhundert.
Frankfurt 1960; Rudolf Lusar: Die deutschen Waffen und Geheimwaffen des Zweiten Weltkriegs
und ihre Weiterentwicklung. 6. Auflage. München 1971.

63 E. Schiebold: Vorschlag über ein „zusätzliches Kampfmittel zur Bekämpfung und Vernichtung
der Besatzung feindlicher Flugzeuge und Erdkampftruppen in der Defensive mittels
Röntgen- und Elektronenstrahlen", Typoskript, undatiert, ca. April 1943 (Sächs. Staatsarchiv
Leipzig, Nachlaß Ernst Schiebold, Nr. 1). Vgl. dazu auch: Als die Teilchen laufen lernten:
Leben und Werk des Großvaters der modernen Teilchenbeschleuniger Rolf Wideröe. Zusammengestellt
und redigiert von Pedro Waloschek. Braunschweig 1993. S. 63 und 78. Vgl. ferner
Materialien in Philips Medizin Systeme sowie AIP, Wideröe Papers.

64 Zur Person von Milch vgl. R. Wistrich: Wer war wer im Dritten Reich. Frankfurt 1987.
S. 242-243.

65 Liste der Dienstreisen, die Schiebold während des Krieges unternommen hat, in Archiv zur
Geschichte der Max-Planck-Gesellschaft Berlin, Abt. III, ZA 94 (NL Schiebold).

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