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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2001/0252
Heinz Pfefferle

kerungskreis37. Im gleichen Sinne bezeichnet ein Brief von Graf Heinrich von Wald-
burg-Wblfegg vom 23. März 1949 an Gebhard Müller Württemberg-Hohenzollern als
eine der letzten einigermaßen christlichen Machtpositionen in Deutschland38. Die
Forderung nach Abschaffung der als „Hitlerschule" denunzierten Gemeinschaftsschule
und die Wiedereinführung der Konfessionsschule werden als Ausweis antinationalsozialistischer
Gesinnung in der Vergangenheit und in der Gegenwart gesehen
. Sie sind Nachweis von tatsächlich geleistetem oder von beanspruchtem Widerstand
und Demonstration demokratischer „Rechtgläubigkeit". Die Rekonfessionali-
sierung des Schulwesens ist der Teil der Entnazifizierung, der vielleicht als einziger
echten, uneingeschränkten Rückhalt in der katholischen und pietistisch orientierten
Bevölkerung findet, und er ist vielleicht gerade als Akt der „Selbstreinigung" wie als
Vorzeigeobjekt populär.

In allen Diskussionen um den Südweststaat innerhalb der CDU wird immer wieder
an die historischen Erfahrungen im Zusammenprall zwischen oberschwäbischer
Tradition und dem protestantisch-säkularisierten Staat Württemberg erinnert. Auf
der Konferenz von Bad Waldsee am 18. Februar 1949 formiert sich erstmals der
Widerstand gegen einen traditionell-zentralistischen Südweststaat. Dabei wird an die
gemachten Erfahrungen erinnert, die wenig Sympathie für das alte Württemberg aufkommen
ließen. Auf einer nichtöffentlichen CDU-Konferenz auch mit südbadischen
und nordwürttembergischen Vertretern sagt Bernhard Bauknecht nach dem
Gedächtnisprotokoll von Kultusminister Sauer: Auch wir (d. h. die Oberschwaben)
hätten Wünsche und Forderungen. Er erinnerte an das höse Wort vom schwarzen
Oberland und wies auf den Barock in Oberschwaben und Oberbaden (!) hin. Wir
wollen nicht nur Anstalten für Geisteskranke und Kasernen, während unsere kulturellen
Schriften im Staatsarchiv Stuttgart verstauben. Auf unsere Schulregelung werden
wir nicht mehr verzichten. Schulgesetz und Elternrecht werden wir nicht mehr
preisgeben^. Negative Identität (zum Beispiel die Erinnerung an die Ausplünderung
zahlreicher säkularisierter Klöster Oberschwabens und ihre Umwandlung in psychiatrische
Anstalten) und positive Identifikation mit dem kulturellen Erbe (dem
oberschwäbischen Barock) verbinden sich hier und liefern die Basis für Forderungen
an den künftigen Staat Baden-Württemberg. Erinnert wird an den Staat Württemberg
, der Oberschwaben (nach den Worten von Hans-Georg Wehling) fast als Kolonie
behandelt und dessen Verwaltungsbeamte, Richter und nicht zuletzt Lehrer in
Oberschwaben nicht der einheimischen Bevölkerung entstammen, sondern gezielt
aus altwürttembergischen Kreisen entnommen sind, um in Oberschwaben gleichsam
als Missionar im „schwarzen Erdteil" (Wehling) Fortschritt und Aufklärung zu bringen
. Überdies ist anzunehmen, dass die nationalsozialistische Schulpolitik gegen die
Bekenntnisschule und die besonders rabiate Zurückdrängung der Kirche aus der
Schule, wie sie der Kultusminister Christian Mergenthaler praktiziert, eben nicht nur
als NS-Produkt, sondern auch als ein Produkt des „Stuttgarter Zentralismus" ange-

37 ACDP- Bestand I - 128, Nr. 042/2.

38 HSTA Stuttgart, Nachlass Gebhard Müller, I 36 W Für die Möglichkeit, diesen Nachlass
zu benutzen, danke ich der Familie Müller sehr herzlich.

39 Protokoll Dr. Sauer, S. 2 (StA Sigmaringen Wü 2/229).

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