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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2001/0290
Neues Schrifttum

Ein sittsamen Augen wohlgefälliges Leben führte Caspar Seger vermutlich auch
nicht. 1623 war's damit aber vorbei, er stand erneut vor Gericht. Ehebruch, dazu
„Schelten und Schlagen", als er ertappt wurde, war der Vorwurf, mit dem ihn die
Gruoler los wurden. Seger schmachtete im Gefängnis und wurde des Landes verwiesen
, ein Flüchtling, den keiner haben wollte. Heimat- und besitzlos, blieb ihm nur die
Wahl, einen Platz im Milieu der Obdachlosen und Bettler zu suchen. Seger wählte die
gute Seite, die Pilgerschaft, aber er blieb, wie er war. Zuerst bettelte er sich bis nach
Rom durch, vielleicht wirklich, weil ihm dies als kirchliche Buße für den Ehebruch
auferlegt wurde, wie Andreas Zekorn vermutet. Aus Rom kehrte Seger wieder heim.
Aber nicht nach Gruol. In Sichtweite, auf dem Kesselberg über dem Wald von Bins-
dorf wolle er eine Kapelle errichten, versprach er. Dafür erhielt er in Binsdorf die
Duldung und (vermutlich) im österreichischen Amt in Rottenburg den Gewerbeschein
, einen Bettelbrief. Das Geschäft vor den Kirchentüren war so einträglich, dass
Caspar Seger einstweilen im Binsdorfer Gasthaus Unterkunft nehmen konnte. Als
neben der Kapelle sein Häuschen stand, zog er um. Er war Waldbruder, Einsiedler,
Eremit, einer, um den sich Geschichten rankten, zumal er die richtige nicht erzählte.
Selbst der Bürgermeister von Binsdorf wusste nicht, warum der heilige Mann auf dem
Berg nicht mehr nach Gruol zurückkehren wollte.

Caspar Seger war auch nach dem Bau der Kapelle viel unterwegs, er suchte nach
Sponsoren, die ihm die Einsiedelei auskömmlich machten. Von Erzherzog Leopold
erhoffte er sich einiges, ihn zu begegnen reiste er 1627 eigens zum Landtag nach Konstanz
. Die Mission war zwar nicht erfolgreich, aber sie hinterließ - zum Glück -
einen der Aktenbestände, auf die Andreas Zekorn zurückgreift. Andere Besuche und
Bittgänge brachten dem Einsiedler mehr Glück, ohne Akten zu hinterlassen. Die
Kapelle erhielt Einkünfte, bescheidene wohl, aber immerhin. Caspar Seger bemühte
sich auch um ein angemessenes Image und berichtete von Wundern. Auch wenn die
der Binsdorfer Schultheiß nicht bestätigen mochte, entwickelte sich eine gewisse
Aura um den Ort, die um so mächtiger wurde, je länger Caspar Seger tot war. Die
wundersame Geschichte eines mirakulosen Orts.

Eine Glanzzeit erlebte die Loretokapelle im barocken 18. Jahrhundert, als ein gewisser
Franz Schwenk in Binsdorf Pfarrer und Dekan war. Die Zeit, in der es weitum
Waldbrüder gab, war über die Loretokapelle hinweggegangen, aber die Amtskirche
hatte das Binsdorfer Vermächtnis in ihre Obhut genommen. Der Wallfahrtsort auf dem
Kesselberg behauptete sich in der Unzahl von Wüstungen, die in der Umgebung zu finden
waren, und fand einen engagierten Förderer. Franz Schwenk renovierte das inzwischen
100 Jahre alte Bauwerk und arbeitete weiter an ihrem guten Ruf. Er beschaffte
Reliquien, bestellte einen Jahrtag für den Erbauer und gab der Kapelle einen Kreuzweg,
den er aus Hechingen holte. Dort sortierte das Kloster St. Luzen ihre alten Stationen
aus. Die sieben Häuschen (die auf dem bekannten Merian-Stich von Hechingen
tatsächlich zu sehen sind, der Ausschnitt im Buch ist nicht glücklich gewählt) waren
nicht mehr zeitgemäß. Wohin sie kamen, als das Kloster in den 1730ern Kalvarienberg
und neuen Kreuzweg baute, konnte bislang niemand sagen. Andreas Zekorn verrät's.
Eine Notiz, die er im Pfarrarchiv Binsdorf gefunden hat, brachte ihn auf die Spur.

So fügt sich Steinchen zu Steinchen in einem Miniaturgemälde, das Markus Zehn-
der in die Gegenwart hinein führt. Wichtige Stationen sind hierbei die Renovierun-

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