Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2002-03/0039
Geistliches Leben und klösterlicher Alltag im Augustinerchorfrauenstift Inzigkofen

Eine andere Form der Hochleistungsfrömmigkeit stellen die von der Schwestern in
einer zeitweise geradezu exzessiven Art und Weise übernommenen freiwilligen
Gebetsverpflichtungen dar. Maria Monika Hafner schildert in ihrem Bericht an den
Kreuzlinger Visitator die in Inzigkofen in den 1750er Jahren bestehende Praxis: Wenn
eine Schwester bade, solle sie der Badeschwester einen Rosenkranz beten, desgleichen
beim Einnehmen von Arznei und beim Aderlassen. Zugunsten der Pröpstin seien
gleich drei Rosenkränze fällig, weil diese das Aderlassen erlaube, ebenso für das Personal
der Küche als Dank für das bei diesem Anlass gelegentlich gereichte bessere
Essen. Wenn man einer Schwester die Haare schneide, koste es einen Rosenkranz,
wenn man eine schröpfe, einen oder sogar drei. Wenn eine Frau eine vierwöchige Kur
etwa mit Kräuterbrühe, Geißenmilch oder Hirschsulz brauche, habe sie jeweils einen
Psalter für die Pröpstin für die Erlaubnis, sodann für die betreuende Schwester und
schließlich auch noch für die Apothekerin zu verrichten. Die Küchenschwestern
habe einen Psalter für besonders zubereitete Speisen zu erwarten, was im Jahr pro
Frau vier Mal geschehen könne. Beim sommerlichen Sonnen der Betten und Reinigen
der Zellen falle ein Rosenkranz für die beiden dabei tätigen Hausschwestern an, die
meisten Frauen versprächen sogar deren drei. Beim Namenstag einer Schwester widmeten
ihr die anderen jeweils eine heilige Kommunion und einen Psalter, im Fall der
Pröpstin sogar drei Kommunionen und 15 Psalter. Zu Weihnachten solle jede Frau
sieben oder zwölf Rosenkränze an den geistlichen Mantel der Muttergottes beten.

Die Zahl der Anlässe für „freiwillige" Gebets-Versprechen ist schier endlos und
umfasst selbst die Ausleihe eines Gebetsstühleins, die Kleiderausgabe aus dem
Gewandhaus, Verwandtenbesuch der Schwestern, das Aderlassen der Pröpstin, die
Feier des Nikolaustages und manches andere mehr. Die Mitschwester, die für den
Konvent den Nikolaus macht, darf pro Frau offenbar mit einem Psalter und einer
heiligen Kommunion rechnen. Anlassunabhängige Gebets-Belohnungen für ihre
Mühe während des Jahres erhalten die Pröpstin (2000 Ave Maria oder 15 Psalter), die
Schaffnerin und die Kuchelmeisterin (jeweils 7 Psalter), die Priorin (1000 Ave Maria
oder 7 Psalter), die Portnerin und die Kellermeisterin (jeweils 600 Ave Maria). In gleicher
Weise mit Gebeten bedacht werden schließlich auch noch der Beichtiger, der
Bischof von Konstanz, der Abt von Kreuzlingen und der Fürst von Sigmaringen78.

Das Urteil von Maria Monika Hafner über diese exzessiven Gebetsleistungen fällt
wahrlich vernichtend aus: Diese vielen Gebete würden von den meisten Schwestern
während ihrer Arbeit verrichtet, oft mit Geschwätz und ziemlich zerstreut. Nach
ihrer festen Uberzeugung wäre ein einziges andächtiges Vaterunser und Ave Maria
Gott wohlgefälliger und fruchtbarer als all dieses. Auch sollten die Schwestern nach
der Regel sich gegenseitig um Gottes willen und nicht irdischen Lohnes wegen dienen
und helfen. Nach Auffassung von Maria Monika widerspricht es der Regel, wenn man
jetzt alles mit Gebeten vergelten müsse. Sie bittet den Visitator um gnädige Erleichterung
von diesen Gebetslasten79. Die Überforderung der Frauen durch freiwillige
Gebetsleistungen ist offenbar ein längerfristiges Problem, denn in den 1770er Jahren

78 Kraus (wie Anm. 4), S. 135ff.

79 Ebd., S. 135, 137.

23


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2002-03/0039