Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2002-03/0045
Geistliches Leben und klösterlicher Alltag im Augustinerchorfrauenstift Inzigkofen

verschiedentlich eine für die Verhältnisse der Zeit durchaus anspruchsvolle und entsprechend
kostspielige medizinische Behandlung.

Feste Bestandteile der Gesundheitspflege im Stift Inzigkofen sind im 18. Jahrhundert
die offenbar periodische Einnahme abführender {purgierender oder laxierender)
Arznei, das Baden und schließlich das Aderlassen. Um die Abhaltung des Chordienstes
zu gewährleisten, wurde den Schilderungen von Maria Monika Hafner zufolge
sowohl bei der Arzneieinnahme des gesamten Konvents im Frühling und im Herbst
wie auch beim Aderlassen die klösterliche Gemeinschaft in drei Gruppen eingeteilt,
so dass immer jeweils zehn bis zwölf Chorfrauen und vier bis fünf Laienschwestern
für die Stundengebete zur Verfügung standen. Entgegen der Regel, die eigentlich nur
der Schwachheit halber das Baden erlaube, werde in Inzigkofen schon seit langem den
Schwestern allmonatlich das Baden gestattet. Kritikwürdig erscheint Chorfrau Maria
Monika die mit dem Baden vielfach einhergehende Geschwätzigkeit vieler Mitschwestern
. Anschließend bekannten sie zwar im Kapitel ihren Verstoß gegen das klösterliche
Stillschweigen, allein beim nächsten Bad verhielten sie sich wie zuvor98.

Geradezu als einen Gipfel des Lasters beschreibt die Kritikerin verschiedene
Begleitumstände des Aderlassens, das in Inzigkofen im 18. Jahrhundert im Frühjahr
und im Herbst an jeweils drei Tagen pro Schwester praktiziert wird. Während des
damit verbundenen viertägigen Aufenthalts im Krankenzimmer sind die Frauen
offenbar jeweils mindestens zwei Nächte von der Mette befreit und erhalten von der
Krankenwärterin etwas bessere Speisen und Trank als gewöhnlich. Maria Monika
empört sich darüber, dass im Unterschied zu früher bei diesem Essen während des
Aderlassens nunmehr keine Gleichheit mehr unter den Schwestern bestehe. Offenkundig
um in den Genuss des an der Seite der Pröpstin gereichten Vorzugsessens zu
gelangen, wollten die Schwestern beim allgemeinen Aderlassen deren Abteilung zugewiesen
werden und beriefen sich dabei sogar auf die Sternzeichen. Sei es früher
Brauch gewesen, dass alle Aderlässerinnen vier Tage allmorgens gemeinsam eine Suppe
aßen, so werde heute statt dessen Cave samt einem Zuckerhütle genossen. Wenn
die jetzige Pröpstin in der Aderlässe sei, lasse sie kostbare und mancherlei neue Speisen
auf den Tisch kommen. Darüber hinaus ließen die jungen Professen mit ihrem bei
der Pröpstin aufbehaltenen Geld Mandeln, Zucker, Eier, Stärkemehl und sogar Mandel
- und Pistazientorten kaufen und herbeischaffen. Die Pröpstin gebe ihnen besten
Wein und einen Löffel voll zart gestoßenem Coronari-Zucker in das Gläsle, andere
verzehrten etwas an Geflügel in den geschnittenen Nudeln, im Herbst oder zur Nacht
werde ein gebratenes halbes Täublein oder Hühnlein gereicht, und in der Partie der
Pröpstin - nicht aber in den beiden anderen Abteilungen - gebe es im Frühling oder
Herbst dann sogar noch gebratene Kapaunen. Diese Übung sei durch den weltlichen
Konsulenten des Klosters aufgekommen, der stets, wenn seine Tochter, die Chorfrau
Maria Dorothea Köberle, an der Seite der Pröpstin zur Ader gelassen wurde, ein
gebratenes Welsch-Stück oder Kapaunen zum Tisch in die Klausur schickte".

98 Kraus (wie Anm. 4), S. 149f.

99 Ebd., S. 134, 149f.

29


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2002-03/0045