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Edwin Ernst Weber

in Inzigkofen 1720 an die 30.000 Gulden bares Geld an Mitgiften in das Stift eingebracht
worden seien. Auch hier rügt sie wieder die herrschende Ungleichheit,
behalte sich die Pröpstin doch für ihren Tisch besseren Wein und bessere Speisen vor,
von denen die Allgemeinheit erst dann die Reste abbekomme, wenn sie bereits abgestanden
und fast nicht mehr genießbar seien. Auch für die Gäste des Klosters im
Herrenhaus sei alles im Überfluss da, selbst Gewürze, Zitronen und Kapern104.

9. EINBLICKE IN DIE LESEKULTUR

Reizvolle Einblicke gewährt die Klageschrift von 1756 sodann in die Lesekultur des
Chorfrauenstifts Inzigkofen. Das Kloster war im Spätmittelalter eines der Zentren
der schwäbischen Frauenmystik, woran bis heute eine kunstgeschichtlich bedeutsame
und stilistisch vorbildgebende Christus-Johannes-Gruppe aus der Zeit um 1320
sowie auf zahllose Bibliotheken zerstreute Überreste der ehedem gehaltvollen
Klosterbibliothek mit einem regelrechten „who is who" der mystischen Literatur
erinnern105. Nach der Rekonstruktion von Werner Fechter verteilte sich die von einer
Büchermeisterin betreute Inzigkofer Klosterbibliothek im 18. Jahrhundert auf wenigstens
17 Bücherschränke und hatte ihren inhaltlichen Schwerpunkt offenbar vor allem
in Heiligenbiographien und Schriften der Frömmigkeitsliteratur. Zumindest unter
den von ihm ermittelten 52 Inzigkofer Handschriften des 15. und 16. Jahrhunderts
überwiegen subtile mystische Erfahrungsberichte und leicht verständliche pastorale
Anweisungen, während reine Unterhaltungsliteratur ebenso fehlt wie die in den
Klosterbibliotheken der meisten Männerorden begegnende wissenschaftliche Theologie
und Philosophie. Die gemaine teutsche liberey des Stifts mit überwiegend oder
gar ausschließlich deutschen Texten war bestimmt zur Tischlesung sowie zur
persönlichen Lektüre und Erbauung der Schwestern106.

Nach den Schilderungen von Maria Monika Hafner wird in Inzigkofen in der
Mitte des 18. Jahrhunderts die von der Regel vorgeschriebene Tischlesung von geistlichen
und nützlichen Büchern vielfach durch die Auswahl zweifelhafter Schriften
verletzt. So habe Maria Dominica Schrayvogel neben ihren sonstigen Bossen an den
Fasnachtstagen auch aus dem Buch Judas der Erzschelm - von Abraham a Sancta
Clara - vorgelesen, das mehr zu einem Possenreißer denn für Klosterfrauen tauge.
Als schädlich empfindet die Kritikerin gleichermaßen die nunmehr zum Essen im
Reventer gelesene vierbändige Kirchengeschichte der vier Erdteile des Jesuitenpaters
C. Hazart, die Schilderungen über das Tun und Lassen der wilden Völker und andere
Ungereimtheiten enthalte. Dieses Werk stamme vom früheren Beichtvater Ungedult
und sei nach dessen Tod ins Kloster gekommen. Bei Tisch im Rhythmus von vier bis

104 Ebd., S. 138 - 142, 144.

105 Justin Lang: Herzensanliegen. Die Mystik mittelalterlicher Christus-Johannes-Gruppen.
Ostfildern 1994, S. 34ff.; Fechter (wie Anm. 4); populär zusammenfassend Edwin Ernst
Weber: Das Kloster Inzigkofen als Hort der Mystik. In: Hohenzollerische Heimat 50. J.
(2000), S. 51 - 53.

106 Fechter (wie Anm. 105), S. 43 - 48, 176.

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