Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2002-03/0049
Geistliches Leben und klösterlicher Alltag im Augustinerchorfrauenstift Inzigkofen

fünf Jahren gelesen werde es allerdings erst, seit Schwester Maria Dorothea davon
erfahren habe. Gegenstände der klösterlichen Tischlektüre sind interessanterweise
weiterhin eine Schrift über das Leben des Reformators Martin Luther und seiner
Kätterle, worüber sich im Konvent großer Gespaß erhoben habe. Selbst die Laienschwestern
hätten sich beschwert, sie könnten aus solchen Lesungen keinen Nutzen
ziehen. Damit nicht genug würden von Zeit zu Zeit sogar die Augsburgischen
Predigten, die von Lutheranern auf der Kanzel gehalten werden, den Klosterfrauen
über Tisch vorgelesen. Schuld daran seien vor allem die Schwestern Dorothea, Rosa,
Clara und Rosalia, die große Liebhaber der Kontroverspredigten seien. Was damit
zumal bei den Laienschwestern, Novizen und jungen Leuten an Nutzen geschaffen
werde, könne man sich vorstellen. Als besondere Übeltäterin benennt Maria Monika
Hafner ihre Mitschwester Maria Dorothea, die eine ganz sonderbare Liebhaberin
derartiger Bücher und Cramanzen sei und immerfort die Pröpstin berede. Nach der
Überzeugung von Maria Monika Hafner gehören solche Schriften in die Hand
gelehrter Männer, nicht aber von gottgeweihten Weibspersonen. Andererseits lachten
und spöttelten verschiedene Schwestern und hier zumal Maria Rosa, wenn man die
Bücher des Mystikers Johannes Tauler oder des Kapuziners Martin von Cochem
lese107.

Neben der von der Büchermeisterin betreuten Klosterbibliothek, aus der nur
wenig ausgeliehen werde und wo die schönen Bücher Jahr und Tag umsonst im
Kasten stünden, hätten die meisten Schwestern eigene Bücher nach ihrem Gust auf
der Zelle. Einige Beichtväter hätten dies bereits als schädlich getadelt und die Ansicht
vertreten, dieser Sonderbesitz verstoße gegen das Armutsgebot und gebe auch keinen

- geistlichen - Fortschritt, wenn man bald diese und bald jene Schrift lese. Auch der

- vermutlich zu den periodischen Exerzitien ins Kloster kommende - Bußprediger
habe schon gemahnt, kein Buch zu lesen, das nicht vom geistlichen Vater angeraten
sei. Es genüge vollauf, die Nachfolge Christi, das Betrachtungsbuch, ein Lesebuch
sowie das Leben der Heiligen auf der Zelle zu haben. Dann und wann lägen im Kloster
sogar gedruckte Zeitungen herum, die sodann von einigen der Schwestern fleißig
gelesen und ganz kräftig disputiert würden. Die Kritikerin ist sich nicht sicher, ob
diese Blätter vom Meßkircher Dekan nach Inzigkofen gebracht oder aber von der
Pröpstin in Konstanz besorgt werden108.

10. MUSIKLEBEN UND KUNSTHANDWERK

Zwei besondere Kristallisationspunkte der innerklösterlichen Auseinandersetzungen
im 18. Jahrhundert sind sodann interessanterweise das hochstehende Musikleben und
das Kunsthandwerk im Stift. Ausgehend offenbar von der Beschaffung einer ersten
Orgel und der Einführung der kunstvoll verzierten mehrstimmigen Figuralmusik
durch einen musikalischen Beichtvater im ausgehenden 16. Jahrhundert zeichnet sich

107 Kraus (wie Anm. 4), S. 143, 152ff.

108 Ebd.

33


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2002-03/0049