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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2002-03/0051
Geistliches Leben und klösterlicher Alltag im Augustinerchorfrauenstift Inzigkofen

- 1758) gewesen zu sein, der in der Nekrologiensammlung ein großes Talent zur
Müßig bescheinigt wird, das sie trotz ihrer schwachen Leibeskräfte getreulich für den
Gottesdienst angewendet habe114. Eine für die Mitschwestern weniger angenehme
Seite ihrer Musikbegabung offenbart der Visitationsbericht von 1756, wenn mehrere
Frauen darüber Klage führen, dass sie von der Chorregentin und Orgelspielerin
Maria Clara beim Chorgesang gemaßregelt und tyrannisiert würden115.

Dass die hochstehende klösterliche Musikkultur auch ihre problematischen, ja
belastenden Seiten hatte, lässt sich dem Klageschreiben der Chorfrau Maria Monika
Hafner entnehmen. Ihrer Schilderung zufolge sind die Frauen oft ganz matt und
kraftlos von dem Spielen der Trompeten, des Waldhorns, dem Streichen der Violinen,
vom Orgelschlagen und Taktgeben wie auch vom anstrengenden Singen und könnten
vor Schwäche fast nicht mehr. Statt Andacht und erhobenem Gemüt in Gottesdienst
und Chorgebet fänden sich deshalb Zerstreuung, Verdruss und Widerwillen,
zumal die Chorregentin - vermutlich Maria Clara Wegscheider - nicht nachgebe und
erhalte, was sie wolle. An verschiedenen Hochfesten, wenn man die Mette und Lau-
des singe, dauere es sieben Viertelstunden und am Tag des Ordensvaters Augustinus
gar zweieinhalb Stunden, d. h. von Mitternacht bis 2.30 Uhr. Die Kritikerin hegt den
Verdacht, dass bei verschiedenen ihrer Mitschwestern das Chorgebet nicht in der gleichen
Hochachtung stehe wie die Musik. Eine überbordende musikalische Gestaltung
sei zumal dann angesagt, wenn fremde Gäste in der Kirche seien, so dass man den
Eindruck erhalte, die Kreaturen würden dem Schöpfer vorgezogen. Nach den Gottesdiensten
würde dann am Redfenster eitles Lob für die musikalischen Leistungen
entgegengenommen. Während der Messfeier wollten der lange und beschwerliche
Gesang, das Orgelschlagen und das Geigenspiel oft gar kein Ende nehmen und müsse
der Priester am Altar vielfach lange warten. Oft sei es deshalb auch unmöglich,
rechtzeitig zu Tisch und anschließend wieder zur Non in den Chor zu kommen. Das
Läuten zur Wandlung sei oftmals nicht zu hören, weil vom Sanctus bis zur Aufhebung
des Kelches alles durch Pauken, Trompeten, Waldhörner, Geigen und Orgel
übertönt werde. Während man früher die Orgel nur benutzte, wenn laut Statuten ein
Seelamt mit Musik fällig war, bekomme das Instrument heute überhaupt keine Ruhe
mehr. Nach Uberzeugung von Maria Monika wäre es hörenswerter und den leidenden
Seelen zur Erlösung nützlicher, wenn das Requiem andächtig und einfältig mit
der Stimme allein und ohne Orgeleinsatz gesungen würde116.

In analoger Weise finden sich auch zum klösterlichen Kunsthandwerk durchaus
konträre Bewertungen. Von der kunsthandwerklichen Fertigkeit der Inzigkofer
Schwestern zeugen bis heute kunstvoll bestickte Paramente im Kirchenschatz der
Klosterkirche, anspruchsvoll gestaltete Weihnachtskrippen mit Figuren aus Wachs,
Draht und mit variantenreichen Miniatur-Prachtgewändern, sodann Schreine und
Pyramiden mit aufwändig gefassten und angeordneten Heiligenreliquien sowie, als

114 Lebensbeschreibung der Chorfrau Maria Clara Wegscheider (Lebensbeschreibungen
1742 - 1801, wie Anm. 4).

115 Visitation v. 4. 7. 1756 (Visitationen 1609 - 1756, wie Anm. 4).

116 Kraus (wie Anm. 4), S. 133ff.

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