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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2002-03/0371
Dietrich Bulach

hinauff nach Rottweyl fahren können. Sie habe ein kleines Kätzlein, fuhr die Kindsmagd
fort, sie wolle es ihr geben! Nun, entgegnete Anna Maria, das Kätzlein sei
vielleicht etwas zu klein, aber sie habe eine leichte Ofengahel daheimb%, damit wolle
sie hinauffahren9.

Die Neugierde der Kinder war entfacht: Sie wollten wissen, wo sie denn das Fahren
gelernt habe. Ihre Mutter, die Weißgerberin, habe es ihr beigebracht; und nun eröffnete
die junge Gerbertochter ihren erwartungsvollen Zuhörerinnen die bunte Welt
ihre Phantasie - gespeist aus allseits bekannten tradierten Märchen, Erzählungen und
bildhaften Darstellungen von Teufeln, Hexen und Geistern, vermengt mit familiären
oder lokalen Ereignissen wie beispielsweise jener Hochzeit, die in den zurückliegenden
Wochen im Städtchen Hechingen für einigen Gesprächsstoff unter Jung und Alt
gesorgt haben dürfte: Egins Madie, mit bürgerlichem Namen Magdalena Barth,
20-jährige Tochter des 1660 verstorbenen Hechinger Adlerwirtes Georg Barth, hatte
sich Anfang des Monats in Rottweil mit einem Goldarbeiter namens Johann Baptist
Franz verheiratet10.

Sie fahre, so Anna Maria weiter, alle Sonntag maistens nachts umb neun Uhren
auff der Gabel auß, ruhe dann auf dem Glockenturm, um anschließend hinaus aufs
Feld zu fahren, wo sie esse und trinke. Es kämen Mädchen und Gesellen dahin, aber
auch viel Gaister, die auf den Pflaumenbäumen säßen, während sie, die Mädchen, auf
den Apfelbäumen Platz fänden. Diese Geister seien ihnen wohlbekannt, sie täten
ihnen nichts und es sei ein Gaist alda so gahr stattlich undt ganz mit Goldt geklaidet,
andere hätten aber theyls keine Arme, theyls aber Hörnlin auff den Köpffen.

Ihre ältere Schwester Christine würde mit der Mutter meistens zum oberen Tor
hinaus fahren, nach Rottenburg und Schömberg, manchmal auch in Begleitung der
Müllerin. Und angeregt von den staunenden Gesichtern um sie herum, fügt das
Mädchen schließlich hinzu: Die Mutter habe sogar eine Salbe, mit der man Katzen
lähmen könne, und nur Großvater oder Großmutter könnten ihnen dann noch
helfen. Demnächst werde sie den Hund des Untervogts lähmen, denn dieser habe
seiner Mutter ein Stück Fleisch weggefressen; und wenn es sein müsse, so könne man
mit dieser Salbe auch Menschen lähmen!

Auf die begierige Nachfrage des Schweizer Kindermädchens, ob es auch eine
solche Salbe haben könne, läuft die kleine Anna Maria noch am selben Abend nach
Hause, bringt auf einem Spänlin etwas Salbe mit und erklärt: Wenn sie eine Gabel
damit schmiere, könne sie auch durch die Lüfte fahren. Aber Rosina solle auf sie
warten. In der Nacht wolle sie vorbeikommen.

8 Schon Rolf Burkarth (Hexenprozesse in Hohenzollern, Zulassungsarbeit zur 1. Dienstprüfung
an der PH Reutlingen, 1965. StAS 13/J251) hatte darauf hingewiesen, dass in Hohenzollern
nicht der berühmte Besen, sondern die Ofengabel das „beliebteste Fahrzeug" (S. 93) der
Hexen war.

9 StAS, Dep. 39 (FAS), DH 1, T 7, Rub 74 (NZ) Nr. 1, Fasz.-Nr. 4, 30.6.1663. Zum Zwecke
besserer Lesbarkeit wurden Groß- und Kleinschreibung sowie Zeichensetzung bei den selbst
transkribierten Qüellentexten den heute gültigen Regeln angepasst.

10 StAS, Ho 1, T 8, Kontraktenprotokolle Bd. 3, 5.6.1663, fol. 129.

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