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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2002-03/0372
Der Fürst und „seine" Hexe

Natürlich wartete die Kindsmagd vergeblich in jener Nacht, und am nächsten
Morgen zur Rede gestellt, wand sich die Sechsjährige geschickt heraus: Sie habe vor
dem Haus gewartet und gerufen, aber Rosina habe sie nicht gehört.

Am darauf folgenden Montag sollte das phantasiebegabte kleine Mädchen in der
Küche des Melchschen Hauses erneut eine - nun vorwiegend männliche - Zuhörerschaft
vorfinden: das Jacobelin, Sohn des Jägermeisters, den 14-jährige Dienstbuben
Johannes Werner sowie den zehnjährigen Sohn des gleichnamigen Hechinger Stadtbauern
Bartlin Bulach. Wie schon am Vortag spielte sich die Kleine erneut geschickt
in den Vordergrund: Gekonnt schwang sie sich rittlings auf eine in der Nähe befindliche
Ofengabel und - beide Zinken fest umklammert - kletterte sie auf den Backofen,
um zu sehen, ob ein Loch im Dach zu finden wäre. Denn, wann ein Loch da
geweßen, so wollte es gschwindt daraußen seyn. Da dem jedoch nicht so war, stieg sie
alsbald wieder herunter und ... gingprafforth.

Damit hätten die phantasievollen Reisen des kleinen Mädchens in das Reich der
Hexen und Geister eigentlich ganz unspektakulär ihr Ende finden können, wären sie
nicht sehr bald Erwachsenen zu Ohren gekommen, die in einem solchen Verhalten
nicht einfach nur kindliches Narrenwerk, sondern eine Bedrohung der sozialen und
religiösen Ordnung sahen.

Wenige Tage später werden bereits die ersten Zeugen in die fürstliche Kanzlei
zitiert. In causa veneficii [in Sachen Giftmischerei] wider der Weisgerbern Medle
Anna Maria Hartingin - so überschreibt der gelernte Jurist und Kanzler Dr. Johann
Georg Fischbach das aufgesetzte Verhörprotokoll. Wirft man einen Blick auf den Personenkreis
, der an diesem Morgen zusammenkommt, wird schnell klar, auf welchem
Weg und auf wessen Betreiben hin die unbedachten Äußerungen der kleinen Weißgerbertochter
die Aufmerksamkeit der obersten Inquisitionsbehörde gefunden
haben: Anwesend sind der herrschaftliche Jägermeister Melch, dessen beide Töchter
sowie das Schweizer Kindermädchen Rosina Haushartin.

Als Hauptbelastungszeugin tritt das vierzehnjährige Kindermädchen auf. Ausführlich
schildert es aus seiner Sicht die Vorkommnisse. Die beiden Töchter des
Jägermeisters stimmen einigen Aussagen Rosinas zu, ohne jedoch selbst im Einzelnen
verhört zu werden. Am Nachmittag folgen als weitere Zeugen Johannes Werner,
Dienstjunge des Jägermeisters, und Georg Barth, der 24-jährige noch ledige Sohn des
ehemaligen Hechinger Adlerwirts. Auch sie bestätigen bereits Gesagtes. Anna Stehlin
schließlich, eine 29-jährige Magd des Jägermeisters, fügt den Aussagen des kleinen
Mädchens besserwisserisch und unter Beimengung von Lokalkolorit hinzu: Anna
Maria habe behauptet, sie könne mit ihrer Gabel auf den Heuberg fahren11. Der
kleine Heuberg westlich von Balingen galt, wie Burkarth es formuliert, als der
„schwäbische Blocksberg", als Versammlungsort der (schwäbischen) Hexen und
Dämonen12.

11 WieAnm. 9.

12 Burkarth (wie Anm. 8), S. 97.

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