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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2002-03/0374
Der Fürst und „seine" Hexe

auf spektakuläre Weise Ofengabeln zum Schweben zu bringen. Vielmehr waren es die
vom Mädchen ausgesprochenen Behauptung, mittels Salbe Schadenzauber zu bewirken
, die zur Anzeige und offiziellen Einleitung einer Untersuchung geführt hatte.
Dabei dürfte es dem Hechinger Jägermeister, der die Inquisition vermutlich beantragt
hatte, nicht nur um seine Jagdhunde, sondern auch um das Wohlergehen seiner
Kinder gegangen sein.

3. DAS PHÄNOMEN DER SO GENANNTEN KINDERHEXEN

Aus heutiger Sicht drängt sich natürlich die Frage auf, wie Erwachsene den wichtigtuerischen
Erzählungen eines sechsjährigen Kindes ein solches Gewicht beimessen
konnten. Diese Frage lenkt die Aufmerksamkeit auf ein Phänomen, dem sich die
Forschung erst in jüngerer Zeit verstärkt zugewendet hat: den so genannten Kinderhexen
. Der Heidelberger Professor für Evangelische Theologie und Religionspädagogik
Hartwig Weber hat in den vergangenen Jahren mehrere Arbeiten zu diesem
Thema veröffentlicht18. Er zeigt auf, dass im 14. und frühen 15. Jahrhundert Kinder
„noch durchweg in der Rolle bedrohter, geschädigter, getöteter, geopferter Objekte
der Hexen und des Teufels" zu finden waren19. Man denke beispielsweise an die
Kinder mordenden Hexen im Märchen oder an bildhafte Darstellungen, wo tote
Kinder als Bestandteil zur Herstellung von Hexensalbe Verwendung finden. Im
frühen 16. Jahrhundert, so Weber, habe sich jedoch bereits allgemein die Vorstellung
aktiver, zaubermächtiger Kinderhexen durchgesetzt, und in vielen Prozessen seien
„besessene" Kinder beteiligt gewesen, die sich selbst und andere der Hexerei bezichtigten
und ganze Prozesslawinen auslösen konnten. Mehr und mehr aufgegeben wurde
nun auch die Zurückhaltung bei der strafrechtlichen Behandlung minderjähriger
Kinder, die „unchristlicher" Taten verdächtig waren, so dass diese wie Erwachsene
mit Anklage, Folter und Todesstrafe zu rechnen hatten. In Würzburg beispielsweise,
so Weber, „wurden in den Jahren 1627 bis 1629 nicht weniger als 27 Kinder unter 10
Jahren" als Kinderhexen verbrannt20. Der eigentliche Höhepunkt der Kinderhexen-
prozesse lag jedoch in den letzten 40 Jahren des 17. Jahrhunderts, also merkwürdigerweise
zu einer Zeit, als die Verfolgungswellen gegen Erwachsene in ganz Deutschland
am Abklingen waren21.

In dieses zeitliche Schema passen auch die aus Hohenzollern überlieferten Fälle,
wobei die 1663 eingeleitete Untersuchung gegen Anna Maria Harting und ihre
Schwester der erste dokumentierte Fall ist, dass gegen Kinder wegen des Verdachts der

18 Hartwig Weber: Hexenprozesse gegen Kinder. Frankfurt a.M., 2000. Ders.: Von der verführten
Kinder Zauberei. Hexenprozesse gegen Kinder im alten Württemberg, Sigmaringen,
1996.

19 Ebd. S. 199.

20 Ebd. S. 234.

21 Weber untersuchte unter anderem Prozesse in Reutlingen (1660; 1665), Calw (1677; 1683 —
84), Leonberg (1683), Salzburg (1675-89) sowie im schwedischen Mora (1669/70) und im amerikanischen
Salem (1692).

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