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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2002-03/0378
Der Fürst und „seine" Hexe

Die Mutter war also selbst neun Jahre zuvor als mutmaßliche Hexe verhaftet und
gefoltert worden, und musste nun gegen den Verdacht ankämpfen, ihre Töchter hätten
sich ebenfalls der Hexerei ergeben und wären damit quasi in die Fußstapfen ihrer
Mutter getreten. Dies entspräche nämlich ganz der öffentlichen Meinung wie auch
der Ansicht mancher Inquisitoren, das Hexenwesen sei innerhalb der Familie und
Verwandtschaft vererbbar, so dass man sich über die Verderbtheit des Nachwuchses
nicht zu wundern brauche30. Zur berechtigten Sorge der Mutter um das leibliche
Wohl ihrer Kinder kommt also zusätzlich noch die Angst hinzu, nach neun Jahren
selbst wieder von der eigenen leidvollen Vergangenheit eingeholt zu werden und vielleicht
selbst erneut in die Hände der Hexenverfolger zu fallen.

Mit unmissverständlichen Worten macht die Weißgerberin allerdings auch klar,
dass der damals gegen sie eingeleitete Prozess letztlich rechtswidrig gewesen sei.
Leichtfertig^, d. h. moralisch leichtsinnig, unanständig, ja verantwortungslos, sei der
damaliger Amtsinhaber gewesen, lässt sie den jetzigen Kanzler wissen. Und mit
langer Erzählung schildert sie, wie besagter Oberamtmann Schwegler wider Gott
undt Recht gegen sie, die Unschuldige, vorgegangen sei. Man habe ihr aber kein
Ursach vorzuehalten gewusst und deshalb habe sich schließlich das hochlöhl. Kay.
Cammergericht zue Speyer eingeschaltet und ein mandatum de relaxanda captiva
sine cla. [clausula] erlassen, welches dann auch eine Kayl. Hochlohl. Commision
anschließend durchgesetzt habe31.

Mandatum de relaxanda captiva sine clausula - hinter dieser lateinischen Formulierung
verbirgt sich ein für die hohenzollerische Hexenforschung einzigartiger Vorgang
, der in früheren Veröffentlichungen erstaunlicherweise keinerlei Beachtung
gefunden hat32. Zwar hat es zuvor in der Geschichte Hohenzollerns immer wieder
Hexenprozesse gegeben, die mit der Freilassung der Beschuldigten endeten33; auch
kam es durchaus vor, dass Einzelpersonen aus Hohenzollern das höchste deutsche
Gericht in Speyer angerufen hatten, um ihr Recht gegen die Obrigkeit und deren
Beamten einzuklagen. Dabei ging es jedoch in der Regel um die Durchsetzung finanzieller
Ansprüche34. Es ist jedoch bisher kein einziger Fall bekannt, dass eine der
Hexerei bezichtigte Person aus den hohenzollerischen Landen sich in ihrer Verfolgungsnot
an das Reichskammergericht gewendet und dort ein Mandat zur sofortigen
bedingungslosen Freilassung erwirkt hätte!

30 Weber (wie Anm. 18), S. 37.

31 Wie Anm. 14.

32 Zu den Gründen vgl. Anm. 7. Ein weiterer wichtiger Grund ist sicherlich darin zu sehen,
dass die Rolle des Reichskammergerichts bei Hexenprozessen erst durch die Arbeit von Peter
Oestmann (s. unten Anm. 35) ins Blickfeld der Forschung gerückt ist.

33 Vgl. Kraus (wie Anm. 6), Nr. 8, 47 und 96. Zu Nr. 47 siehe auch RR.: Hexen in Hohen-
zollern-Hechingen. In: Hohenzollerische Heimat, Jg. 1952, Nr. 2, S. 54f. Bumiller (wie Anm.
2: Die Grafschaften, S. 264) rechnet sogar hoch, dass „immerhin etwa ein Viertel aller der Hexerei
verdächtigten Personen in Hohenzollern-Hechingen mit dem Leben davon[kamen]".

34 Vgl. Rainmund J. Weber: Akten des Reichskammergerichts im Staatsarchiv Sigmaringen.
Inventar des Bestandes. StAS, R 7, 1999, S. 51: Häufig handelte es sich um Finanzbeamte oder
jüdische Kläger.

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