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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2002-03/0379
Dietrich Bulach

4. DIE ROLLE DES REICHSKAMMERGERICHTS
IN HEXENPROZESSEN

Das Reichskammergericht (RGK) war neben dem Reichshofrat in Wien das höchste
Gericht des Alten Reiches. Von 1527 bis 1688 hatte es seinen Sitz in Speyer (danach
in Wetzlar). Zuständig war das RKG eigentlich für Streitigkeiten zwischen unmittelbaren
Reichsangehörigen und - in zweiter Instanz - bei Appellationen gegen zivilrechtliche
Urteile von Territorialgerichten. In Strafsachen konnte jedoch in Speyer
keine Berufung eingelegt werden. Damit hatten also Frauen und Männer, die von
einem Territorialgericht der Hexerei bereits schuldig gesprochen worden waren, keine
Möglichkeit, vor dem Reichskammergericht ein anderes Urteil zu erwirken, um
damit einer drohenden Hinrichtung zu entgehen. Es gab für die Betroffenen oder ihre
Angehörigen jedoch die Möglichkeit, mit Hilfe des RKG auf ein noch laufendes Verfahren
Einfluss zu nehmen: Dies konnte entweder in Form einer Nichtigkeitsklage
oder eines Mandatsprozesses geschehen.

Es ist das besondere Verdienst von Peter Oestmann, dass er in seiner 1997 veröffentlichten
Dissertation „Hexenprozesse am Reichskammergericht" eine umfassende
Auswertung und Darstellung der RKG-Rechtsprechung für diesen Bereich geleistet
und damit die Bedeutung des höchsten Reichsgerichtes in Hexensachen neu
bewertet und gewürdigt hat. „Im Rahmen von Nichtigkeitsklagen", so Oestmann,
„wurden dem RKG häufig Rechtsverstöße untergerichtlicher Hexenprozesse vorgetragen
mit dem Ziel, die von Territorialgerichten durchgeführten Verfahren 'für
null und nichtig' erklären zu lassen"35. Aufgabe des Reichskammergerichts war es
also nicht, den Inhalt eines gefällten Urteils zu überprüfen oder gar zu korrigieren. Es
hatte vielmehr zu klären, ob das Verfahren gegen die betroffene Person überhaupt
rechtmäßig durchgeführt worden war. Gab das Gericht dem Antragsteller Recht,
wurde das rechtswidrige Verfahren aufgehoben und an das Untergericht zur erneuten
Verhandlung zurückverwiesen. Da eine Nichtigkeitsklage in der Regel aber erst
am Ende eines bereits laufenden Prozesses eingereicht wurde, Hexenprozesse jedoch
häufig „als Schnellverfahren durchgeführt wurden, versprachen die Nichtigkeitsklagen
nur geringen Erfolg, wenn es darauf ankam, möglichst schnell Rechtsschutz
zu erhalten36."

Wesentlich Erfolg versprechender für ein Verfolgungsopfer war deshalb ein
Mandatsprozess beim RKG mit dem Ziel, einen vorläufigen Rechtsschutz in einem
laufenden oder noch bevorstehenden Prozess zu erwirken. Wurde diesem Ansinnen
stattgegeben, erließ das RKG ein Mandat, d.h. einen Befehl, „durch den unter
Androhung einer Geldstrafe eine bestimmte Maßnahme angeordnet wurde37."
Normalerweise waren diese Mandate mit einer Rechtfertigungsklausel (cum clausula)
versehen. Das bedeutete, das gerügte Territorialgericht konnte seine Vorgehensweise

35 Peter Oestmann: Hexenprozesse am Reichskammergericht. Köln, Weimar, Wien, 1997.
Hier S. 63.

36 Ders. (Kurzfassung), wie Anm. 5.

37 Ebd.

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