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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2002-03/0382
Der Fürst und „seine" Hexe

Eitel Friedrich, ältester von vier Söhnen des Fürsten Johann Georg43, von seinem
Vater als junger Mann an die Hochschulen Wien und Ingolstadt und anschließend auf
„größere Bildungsreisen" nach Italien und Frankreich geschickt44, hatte als kaum
19-jähriger bereits zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges „die Stelle eines Obristen
über ein kaiserliches Regiment zu Fuß (inne), welches seinen Namen trug"45. 1619
wurde er bei Budweis in Böhmen so schwer verwundet, dass er bis zu seinem Lebensende
an den Folgen dieser Kriegsverletzung litt46. 1623 musste er bereits die Nach-

43 Zwei weitere Söhne des Fürsten starben bereits im ersten Lebensjahr: Karl (1599) und
Johann Friedrich (1602). Für Eitel Friedrich nennt Egler in seiner Hechinger Chronik den
Januar des Jahres 1600 als Geburtsdatum (wie Anm. 82), S. 113. Fritz Kallenberg (Hrsg):
Hohenzollern. Schriften zur politischen Landeskunde Baden-Württembergs, Bd. 23, S. 66, gibt
das Jahr 1601 als Geburtsjahr an.

44 Schilling: (wie Anm. 41), S. 228.

45 Von Runkel: (wie Anm. 41), S. 35.

46 Uber die Art dieser Verletzung existieren unterschiedliche Aussagen, die sich quellenkritisch
z.T. auf nicht gesichertem Terrain bewegen: Die älteste Publikation von Schilling
(s. Anm. 41) spricht zunächst nur von einer „schweren, unheilbaren Wunde"; ähnlich Schmitz
(s. Anm. 41), S. 54. Cramer hingegen zitiert auf S. 296 seines grundlegenden Werkes über „Die
Grafschaft Hohenzollern" (s. Anm. 1) den Satz, „[der Fürst] verfiel wegen ihm vor Budweis
gegebener großer Hauptblessur in Blödigkeit", ohne jedoch seine Quelle zu nennen. Diese in
zweifacher Hinsicht missverständliche Aussage (Hauptblessur - Kopfverletzung? Blödigkeit -
geistige Schwäche?) verleitete Von Runkel (wie Anm. 41) wohl zu der Bemerkung, Eitel
Friedrich sei „als junger Offizier vor Budweis in Böhmen so schwer am Kopf [sie!] verwundet
[worden], daß er in Folge dieser unheilbaren Wunde, welche ihn beinahe regierungsunfähig
machte und schließlich seinen Tod herbeiführte, im Jahr 1661 starb". Auch Kallenberg
(s. Anm. 43) erweckt mit seiner Darstellung („Eitelfriedrich [...] lebte nach einer Kopfverletzung
- 'verfiel wegen ihm vor Budweis gegebener großer Hauptblessur in Blödigkeit' - die
meiste Zeit auf den von seiner Frau ererbten Besitzungen in den Niederlanden") den Eindruck,
Eitel Friedrich sei durch eine Kopfverletzung geistig nicht mehr in der Lage gewesen, seine
Grafschaft zu regieren.

Dieser Eindruck ist jedoch sowohl inhaltlich falsch als auch quellenkritisch fragwürdig. Eitel
Friedrich war trotz seiner zweifellos vorhandenen psychischen Probleme (auf die später noch
ausführlich eingegangen wird) ein intelligenter Kopf. Der Begriff „Hauptblessur" - so er
überhaupt gesichert ist - muss nicht zwangsläufig Kopfverletzung bedeuten, sondern könnte
auch nur „schwere Verwundung" meinen („Haupt" als verstärkendes Präfix). Der Ausdruck
„Blödigkeit" hingegen kann lt. Fischer: Schwäbisches Wörterbuch. Tübingen 1904, zwar auch
„geistige Schwäche" oder gar „Geisteskrankheit" bedeuten, im Falle Eitel Friedrichs wäre aber
vom Faktenbefund her eher die Bedeutung „körperliche Schwäche" im Sinne von „Kränklichkeit
" angemessen.

Meine Zweifel an der Richtigkeit der Forschungsüberlieferung möchte ich durch eine Aussage
Eitel Friedrichs untermauern, die er 1650 in einem persönlichen Bericht über seine Kriegsverletzung
gemacht hat (Dep 39, FAS, HH1, Rub 115, Nr. 136, dat. 18.9.1650). Dort schildert
er seine 1619 vor Budweis in Böhmen erlittene Verwundung als Folge eines Schusses inn die
Dickhe deß rechten Schenckhels. Die Folgen dieser Verletzung würden ihn auch jetzt noch,
nach über 30 Jahren, zu wiederholten Kuraufenthalten zwingen. Von einer Kopfverletzung, die
er angeblich im selben Jahr an selber Stelle (!) erhalten haben soll, ist in dieser Beschreibung
keine Rede, und sie findet auch in anderen Aussagen Eitel Friedrichs über seine gesundheitlichen
Beschwerden keine Bestätigung.

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