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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2002-03/0387
Dietrich Bulach

seiner Grafschaft auch dem Wahn verfallen war, als unnachsichtiger Hexenverfolger
die herrschaftliche Familie und nicht zuletzt sich selbst gegen die Angriffe teuflischer
Mächte verteidigen zu müssen. Die Verhörprotokolle dokumentieren seine Angst, im
eigenen Schloss nicht mehr Herr zu sein und selbst zum Opfer einer malefizischen
Verschwörung zu werden. So will er von der Inquisitin wissen, was zum Tode seiner
Frau Mutter geführt und was sich mit seinem Bruder seelig und irgend anderefnj
Fällen [...] zugetragen habe60. Der Hinweis der Untervögtin, im alten Schloss zu
Hechingen seien die Gespenster gar stark gangen, wie eine ganze Schar mit Reiter
oder in Gutschen, muss ihn beunruhigen. Mit mehrfachem Nachfragen versucht er
herauszubekommen, an welcher Stelle genau sich die Gespenst so stark erzeigt und in
welcher Gestalt; ob dies auch im jetzigen Schloss der Fall sei; schließlich, ob sich der
Teufel in Gestalt einer unschuldigen Person zeigen könne, z. B. in einer Hofmeister's
auch Rath und Doctors Gestalt, und ob im Schloss etwas verborgen, vergraben oder
unter der Schwelle gelegt sei. Gegenüber ihren Kerkerwächtern auf der Burg Hohen-
zollern klagt die verzweifelte Witwe später, der Fürst wolle immer wissen von ihr, ob
Geister ins Schloß gefahren und man wolle wissen, was im Schloss vergraben sei.
Man habe sie gefangen wie eine Hexe, aus Feindschaft, es sollen alle Nacht Geister
zum Fürsten kommen, als wenn es sie wäre.

Nach knapp vierwöchiger Untersuchung erging am 20. März 1643 schließlich das
Todesurteil des Stadtgerichts Hechingen entgegen und wider Anna Kadißin, Unter-
vogten Daniel Sartorii sei. nach gelassen Witib wegen Verläugnung der Göttl.
Majestät und des ganzen himmlischen Heeres, Ergebung an den bösen Feind, verübter
teuflischer Vermischung und Zauberei61. In Wirklichkeit war das strafrechtliche
Procedere vor dem so genannten Malefizgericht, dem hochnothpeinlichen
Halsgericht, in Hohenzollern schon seit langem nur noch eine Farce, ein „in feierlichen
Formen und Formeln" ablaufendes Schauspiel für die Bevölkerung, das den
eigentlichen Entscheidungsprozess verschleiern sollte62. Denn Untersuchung und
Urteil waren längst schon, wie es Gramer ausdrückt, „im Dunkel" der fürstlichen
Kanzlei vor sich gegangen63.

Obwohl Anna Kadis mehrfach gefoltert worden war, konnte man ihr bis zuletzt
[i]m geringsten nit das Geständnis abpressen, daß sie Ihro Fürstl. Gn., dero Herren
Gebrüder oder einigen Fräulein mit Zauberei zugesetzt habe. Allerdings hatte sie in
einem Verhör zugegeben, dass der Böse ihr angemutet habe, den Fräulein Schaden zu
tun, und dass sie wegen ihrer Weigerung von ihm hartiglich geschlagen worden sei64.
So blieb im Fürsten zumindest der Verdacht zurück, dass zwischen der Melancholie
seiner 1633 verstorbenen Tante Maximiiiana und seiner eigenen Kränklichkeit, die
ihm seit seinem 18. Lebensjahr zu schaffen machte, ein Zusammenhang bestehen
könnte. Das Entsetzen, das der Fall Anna Kadis bei Eitel Friedrich hinterlassen hatte,

60 Mit dem Bruder ist vermutlich Graf Georg Friedrich gemeint, der am 14.3.1633 im Kampf
gegen die Schweden gefallen war.

61 Hebeisen (wie Anm. 7).

62 Vgl. Egler (wie Anm. 47), S. 132.

63 Cramer (wie Anm. 1), S. 145.

64 Hebeisen, ebd.

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