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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2002-03/0392
Der Fürst und „seine" Hexe

Zeit, bevor er virulent wurde. Das kollektive Gedächtnis speicherte böse Worte, Drohungen
, abweichendes Verhalten und damit scheinbar in Zusammenhang stehende
Unglücksfälle bisweilen über viele Jahre"86- Unbestritten ist allerdings auch, dass es
häufig allein stehende Frauen ohne sozialen Rückhalt (Witwen, Zugezogene) und
bevorzugt Frauen aus der Unterschicht waren, die sich Verfolgungen ausgesetzt
sahen. Hohenzollern bildete da, wie gesehen, keine Ausnahme.

Als Tochter eines einfachen Schusters gehörte Anna Maria sicherlich zu dieser
besonders gefährdeten Personengruppe. Zwar stammte sie aus einer alteingesessenen
Hechinger Familie. Dass sie jedoch einen Fremden, einen im Zuge der Kriegswirren
aus dem Bayrischen zugewanderten Gerber zum Mann genommen hatte, dürfte ihr
ohnehin bescheidenes Ansehen in der Hechinger Bürgerschaft nicht gerade gesteigert
haben87. Die Gerberei rangierte in der sozialen Rangordnung der Handwerksberufe
nur im unteren Drittel, zählte mitunter zu den unehrlichen Berufen, die vom sozialen
Aufstieg ausgeschlossen blieben. Die schmutzige und von penetrantem Gestank
begleitete Arbeit hatte diesem Berufszweig den Ruf der Unehrlichkeit ebenso eingebracht
wie die dadurch erzwungene Wohnsituation. Da man die Gerber wegen der
starken Geruchsbelästigung in der Regel aus den Stadtmauern verbannt und am
Stadtrand oder in den Vorstädten angesiedelt hatte, waren sie natürlich der sozialen
Kontrolle der Stadtgemeinde weitgehend entzogen - und damit auch prädestiniert für
jede Art von Verdächtigung88.

Ein weiterer Faktor, der die Denunziationsbereitschaft in der Bevölkerung häufig
gesteigert hatte, waren wirtschaftliche Krisenzeiten, ausgelöst durch Seuchen,
Unwetter, Missernten oder Krieg. Hohenzollern litt auch jetzt noch, vier Jahre nach
Abschluss des Westfälischen Friedens, schwer an den verheerenden Folgen des
Dreißigjährigen Krieges, und die Menschen reagierten entsprechend sensibel auf jede
weitere drohende Verschlechterung ihrer ohnehin äußerst kärglichen Lebensbedingungen
. So hatte sich zu Beginn des Jahres 1652 unter den Bauersleuten in und um
Hechingen eine gemeine Klage erhoben, dass die Früchte und andere Sachen zu
günstigen Preisen zu haben seien, während Kaufleute, Handwerker und andere auf
dem vorher üblichen theueren Werth blieben. Dies gelte vor allem für Lederwaren89.
Da es zu den Aufgabe der Meisterfrau gehörte, das vom Mann gefertigte Leder auf
dem Hechinger Wochenmarkt zum Verkauf anzubieten, war Anna Maria Grün
natürlich in besonderem Maße diesem öffentlichen Unmut ausgesetzt. Auch am Hof

86 Voltmer/Irsigler (wie Anm. 53), S. 244. Vgl. dazu auch die bereits erwähnte Arbeit von
Olivia Hochstrasser (wie Anm. 1).

87 Zu den umfangreichen Migrationsbewegungen während und nach dem Dreißigjährigen
Krieg, siehe Edwin Ernst Weber: Tirol in Schwaben. Zuwanderung nach dem Dreißigjährigen
Krieg am Fallbeispiel der Pfarreien Veringen und Bingen. In: Fremde Heimat. Zuwanderung
nach Südwestdeutschland vom 17.-20. Jahrhundert. In: Zeitschrift für Hohenzollerische
Geschichte, Bd. 33,1997, S. 7 - 20.

88 Richard van Dülmen: Kultur und Alltag in der Frühen Neuzeit, Bd. 2: Dorf und Stadt,
München 1992, S. 208f.

89 Egler (wie Anm. 82), S. 141.

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