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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2002-03/0424
Der Fürst und „seine" Hexe

stichwortartig eine Schrift des bekannten und berüchtigten französischen Hexenrichters
Henry Boguet (gest. 1619). Boguet, Richter im französischen Jura, hatte in
seinem Buch Discours de sourcier, das 1602 zum ersten Mal erschienen war und aufgrund
des großen Interesses bis 1608 bereits eine mehrfache Neuauflage erlebt hatte,
seine juristischen Aktivitäten in Burgund reflektiert und systematisiert. „Boguets
System", so Baroja in seiner Arbeit „Die Hexen und ihre Welt", „beruht weitgehend
auf dem der Inquisitoren. Schon ein Verdacht genügte, um Personen festzunehmen.
[...] Gottesurteile mit Wasser sind nicht erlaubt [...]. Wenn der Angeklagte nicht aussagen
will, wird er unter Druck gesetzt, und man wird die Folter so oft anwenden,
wie es dem Richter nötig scheint. [...] Jeder, der der Zauberei überführt wird, wird
lebendig verbrannt. [...] Die Hexerei, welche der Richter interpretiert, wird häufig
noch durch Fälle von teuflischer Besessenheit und Werwolfwesen kompliziert246."
Zwischen 1500 und 1599 soll allein in Burgund bei 20 von 100 Prozessen der Wer-
wolfverdacht erhoben und mit Hinrichtung bestraft worden sein247. Die von Eitel
Friedrich exzerpierten Namen Guillaume Villermoz und Claude Gaillard zeigen das
Interesse des Zollerfürsten an solchen Werwolfprozessen. Gleichzeitig richtet er sein
Hauptaugenmerk jedoch auch auf Verfahrensfragen sowie auf die Bedeutung der
Teufelskennzeichen (z.B. Hexenmale) und des Hexensabbats für die Anklage. Die
von Boguet ausführlich beschriebenen nächtlichen Geheimtreffen, auf denen sich
Hexen und allerlei Dämonen um den Fürsten der Unterwelt scharen, deckten sich mit
Eitel Friedrichs Bedrohungsvorstellungen. Die Lektüre Boguets dürfte ihn in daher
in der Einschätzung seiner persönlichen Gefährdung bestärkt haben, zieht sich doch
quer durch den Discours die Vorstellung von der Hexengemeinschaft, die aus Frauen
derselben Stadt oder benachbarter Gemeinden zusammengesetzt ist. Diese Frauen
bilden demnach ein machtvolles und gefährliches Konglomerat, obwohl Boguet die
Frau von Natur aus als grundsätzlich schwaches Wesen charakterisiert: „if as many of
them [witches] were men as there were women, and if they had a great Lord as their
leader, they would be strong enough to make war upon a King248."

In der Weißgerberin und wohl auch in ihrem Vater und ihrem Ehemann glaubt
Eitel Friedrich Exponenten eines solch gefährlichen teuflischen Netzwerkes vor sich
zu haben; eines Netzwerkes, das auch imstande sein würde, einen Fürsten zu
attackieren. Anders ist seine zuletzt gezeigte Unsicherheit und sein zögerliches Vorgehen
im Fall Anna Maria Grün nicht zu erklären. Dass ihn keine grundsätzlichen
Skrupel gegenüber denunzierten Frauen plagten und ihn seine psychischen, körperlichen
und politischen Schwierigkeiten auch keineswegs zwangsläufig am juristischen
Handeln hindern mussten, demonstriert er sich und seinen Untertanen eindrücklich
mit der Eröffnung eines Hexenprozess gegen die aus Ringingen gebürtige Maria

246 Julio Caro Baroja: Die Hexen und ihre Welt, Stuttgart, 1967, S. 144f.

247 Werwölfe: Va. Männer, die sich in einen Wolf verwandeln und Menschen reißen sollen.
Brigitte Rochelandet: Sorciers, Diables et büchers en Franche-Comte. Besancon 1997.
Zitiert nach www.elmar-lorey.de.

248 Henri Boguet: An Examen of Witches, ed. and trans. by Montague Summers, New York
1971, XXXI. Zitiert nach: Female Sociability, Physicality and Authority in a Early Modern
Haunting, http://muse.jhu.edu/journals/title/.

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