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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2002-03/0437
Dietrich Bulach

Maria Wullin dürfte ihm als warnendes Gegenbeispiel noch in guter Erinnerung sein.
Es ist nun nicht sicher, ob es Zufall, Ergebnis eigener Überlegungen oder die Hilfe
Dritter war, die Andreas Harting auf die rettende Idee bringt: Er begibt sich nach
Rottenburg, um dort jenen Mann zu treffen, der als langjähriger Gegenspieler des
Zollerfürsten vielleicht der einzige war, der dessen Macht etwas entgegen zu setzen
hatte: Dr. Johann Wagner, Landeshauptmannschaftsverwalter der Grafschaft Hohenberg
, Statthalter von Rottenburg und Subdelegierter der kaiserlichen Kommission zur
Behebung der viel beklagten Missstände in der gefürsteten Grafschaft Hohenzollern-
Hechingen. Wie Eitel Friedrich später selbst voller Empörung berichtet, gewährt
Dr. Wagner dem Weißgerber tatsächlich in Rottenburg Underschlaiff. Mehr noch: Er
leistet „demselben Rath und Thatt [...], wie und welcher Gestalt seine Sachen am
Kay. Cammergericht zu incaminieren [einzufädeln] seien.

Wie bereits zu Beginn dieser Arbeit erwähnt, ist aus den vorhandenen Quellen
nicht ersichtlich, dass jemals ein hohenzollerischer Untertan sich wegen eines Hexenprozesses
an das Reichskammergericht in Speyer gewandt hätte288. Man kann wohl
mit einiger Sicherheit behaupten, dass diese Möglichkeit unter dem gemeinen Volk
in Hohenzollern schlicht und einfach unbekannt war. Dies würde auch durch
Oestmanns generelle Einschätzung bestätigt, dass man angesichts der ,,geringe[n]
Zahl der einschlägigen RKG-Verfahren [...] im Vergleich zur Gesamtzahl der deutschen
Hexenprozesse" davon ausgehen muss, dass das RKG als helfende Instanz den
meisten Prozeßopfern nicht in den Sinn kam". „Häufig", so Oestmann, „kamen
ungebildete Parteien erst nach dem Kontakt mit Freunden oder bekannten Juristen
auf die Idee, in Speyer zu klagen289."

Was konnte Dr. Wagner nun zu dieser außergewöhnlichen Hilfeleistung bewogen
haben? Es wäre vorschnell, den Amtmann aus Rottenburg gleich in die Reihen der
wenigen frühneuzeitlichen Gegner von Hexenverfolgung und Hexenwahn einzuordnen
. Wie ein Vergleich mit den Untersuchungen von Johannes Dillinger deutlich
macht, wurden in der schwäbisch-östereichischen Grafschaft Hohenberg schließlich
mit rund 440 Hexenverfahren 3 V2 mal so viele Prozesse angestrengt wie in den Herrschaften
Haigerloch und Hohenzollern-Hechingen zusammen290. Allerdings lag die

288 Siehe S. 363. Dass auch über den Hexenprozess gegen Anna Maria Grün keine reichs-
kammergerichtlichen Akten vorliegen, lässt sich folgendermaßen erklären: „Kam es", so Oest-
mann (wie Anm. 35), S. 17f., „aus irgendwelchen Gründen gar nicht zu einer Audienz, etwa
wenn zum angesetzten Gerichtstermin keine der Parteien in Speyer erschien, legte das RKG
keine Akten an. Es kann also durchaus sein, daß mehrere Mandate in Hexensachen auf diese
Weise verlorengegangen sind".

289 Oestmann (wie Anm. 35, S. 512): „Fast drei Viertel der Verfolgten waren Frauen, nur gut
ein Viertel waren männlichen Geschlechts." Umgekehrt waren es „zumeist Männer [...]
(Ehemänner, Söhne etc.), die zugunsten ihrer Ehefrau oder Mutter am RKG klagten. Die
knapp 30 % weiblicher Kläger verdeutlichen indes, dass die verfolgten Frauen häufig auch ohne
fremde Hilfe am RKG klagten. Bei Witwen kam dies besonders oft vor" (S. 605f.).

290 Johannes Dillinger: Grafschaft Hohenberg. In: S. Lorenz (Hg.). Hexen und Hexenverfolgung
im deutschen Südwesten, 2 Bde., Ostfildern 1994, Bd. 1, Sonderdruck, S. 245f.
Für die Herrschaften Haigerloch, Hohenzollern-Hechingen und Trochtelfingen hat Bumiller
in „Die Grafschaften" insgesamt 122 Verfahren aufgelistet (wie Anm. 2, S. 263).

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