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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2002-03/0438
Der Fürst und „seine" Hexe

Hauptphase der Hexenverfolgungen in Hohenberg (1571 bis 1605) bereits Jahrzehnte
zurück, und nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges wurden hier nur noch
vereinzelt Verfahren eingeleitet. Der Hauptgrund für das starke Abflauen der Prozesse
lag in der ,,restriktive[n] Haltung der Zentralregierung" in Innsbruck, die „stets
auf der Beachtung der Carolina, insbesondere auf Konsultationen von Juristen [bestand
]" und die „Hohenberger Selbständigkeit" nach 1605 immer weiter eingeschränkt
hatte291. Der Rottenburger Statthalter Dr. Johann Wagner hatte also gar
nicht mehr, wie noch seine Vorgänger Ende des ausgehenden 16. Jahrhunderts, die
amtlichen Befugnisse, Hexenprozesse in Eigenregie durchzuführen, und er dürfte,
durch diese juristischen Vorgaben der Zentralregierung sensibilisiert, von der sachlichen
Notwendigkeit einer restriktiven Handhabung der Hexenprozesspraxis vielleicht
sogar überzeugt gewesen sein. Ob Dr. Wagner dem Hechinger Weißgerber nun
also aus Menschenfreundlichkeit, persönlicher Uberzeugung oder aus Gründen politischer
Opportunität wertvolle juristische Ratschläge gab, sei dahingestellt. Jedenfalls
wird er den Hechinger Weißgerber zuerst einmal darauf hingewiesen haben, dass er
in Anbetracht seiner Mittellosigkeit die Möglichkeit habe, Armenrecht zu erhalten,
um einen Prozess vor dem Reichskammergericht im weit entfernten Speyer führen zu
können292. Er wird ihm darüber hinaus die Namen erfahrener Prokuratoren genannt
haben, an die er sich mit seinem Anliegen wenden konnte und er hat ihm sicherlich
auch mit juristischem Sachverstand geholfen, die Klageschrift korrekt und damit
Erfolg versprechend zu formulieren293.

So kommt in dieser Phase des Hexenprozesses gegen die Hechinger Weißgerberin
also mit dem Reichskammergericht ein weiterer Machtfaktor ins Spiel, den der Fürst
sicherlich nicht auf seiner Rechnung hatte und von dessen Einschaltung er zu diesem
Zeitpunkt wohl auch noch keine Kenntnis gehabt haben dürfte. Ende August 1654 ist
die zweite Untersuchung gegen die inhaftierte Weißgerberin nämlich in vollem
Gange. Der Fürst ist verärgert, dass die Frau nun die offenbahre Wahrheit, dem
Geistlichen einige Monate zuvor den Aufbewahrungsort der Wachskugel genannt zu
haben, absolute leugnet294. Trotz des vom Zaubermittel ausgelösten Schadens habe
er die Weißgerberin damals nicht mit der Schärpfe wie sonsten billich dafür büßen
lassen, sondern ihr im Falle eines Geständnisses sogar die Freiheit versprochen. Um
nun aber künffigem auß dergleichen entspringenden undt noch immer leider er-
zeigendtem Ohnheyl besser zuvorzukommen, wolle er wissen, woher die Kugel
stammte, zumal das Malefizium eindeutig als ein auf ihn gemachtefsj[...]presentiert

291 Auslöser dieser Entwicklung waren, laut Dillinger (ebd., S. 250f), die Visitationen von
1605, die sich „ausführlich mit den Hexenprozessen im Umfeld [des damligen Rottenburger
Statthalters] Wendler von Bregenroth beschäftigten. [...] Wendler wurde wegen Korruption,
sein Schultheiß wegen Missbrauchs der Hexe Maria Ulmerin verhaftet, die verantwortlichen
Beamten in Horb wurden suspendiert. [...] Diese Machtdemonstration der Zentralregierung
enthauptete in beiden Städten die für Hexenprozesse verantwortlichen Institutionen."

292 Oestmann (wie Anm. 35) S. 370.

293 Ebd., S. 244: „Ohne rechtsgelehrte Advokaten konnten die Verwandten meistens nicht viel
erreichen."

294 Wie Anm. 200.

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