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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2002-03/0443
Dietrich Bulach

bevor er seine Residenz in Hechingen erreicht hatte, meldete sich die Vexation wider
starckh. Biß abendts hin dauerte dieser quälende Zustand, um erst des Nachts sich
wieder zu bessern. Dasselbe wiederholte sich am nächsten Tag. Erst dann ließ die
(nicht näher definierte) Plage endlich nach315.

Kaum in Hechingen angekommen, wird der Fürst mit einer neuen Überraschung
konfrontiert, die ihm nicht gefallen haben dürfte. Er erhält ein mehrseitiges Scheiben
seines Untervogtes Melchior Zündelin, worin dieser mit der Vorgehensweise seines
Dienstherrn hinsichtlich der Weißgerberin und ihrer Angehörigen hart ins Gericht
geht316. Es sei seine untertänigste Pflicht und Schuldigkeit vorzutragen, was man
sowohl in der umhliegenden Nachparschafft als nit weniger in alhiesiger Statt wegen
der vorgenommen schar)Jen Procedur halben alles rede. Dies würde nit allein E.F.G.
sonder auch dero Canzley auf das schimpflichste betreffen. In Anspielung auf Kapitel
34 des prophetischen Buches Ezechiel (Uber die schlechten Hirten) sowie Kapitel 3
des Propheten Micha (Über die Rechtsbrecher) verweist Zündelin darauf, dass er als
fürstlicher Rat und Beamter seinem Gewissen gegenüber verpflichtet sei, diesen
Prozess zu beobachten und dem Fürsten seine Meinung dazu zu eröffnen. Sein Urteil
fällt vernichtend aus: Der Prozess sei wegen Formfehlern sehr defectuos. Erstens seien
die betroffenen Personen nicht ordentlich vorgeladen worden. Zweitens habe man
weder ihre Kläger benannt, noch diese mit den Beklagten konfrontiert; auch sei ihnen
nicht das delictum, warauf man sie incarcerirt, in specie eröffnet worden. Sollten allerdings
diejenigen die Kläger sein, die der Fürst bis dato zu Erforschung des Maleficii
gebrauchet habe, dann wäre zu prüfen, ob dergleichen vermeinte argwöhnische
Sachen tatsächlich im Haus der Weißgerberin und in der fürstlichen Residenz gefunden
wurden oder ob, wie zuvermuten, sie selbsten solches dahin gesetzt. Selbst wenn
letzteres nicht zuträfe, müsste man immer noch prüfen, ob die Weißgerberin solche
Mittel in zauberischer Absicht hingelegt und auf die Person des Fürsten hin ausgerichtet
habe. Sollte es sich wider Erwarten aber tatsächlich um einen Kriminalfall
handeln, hätte die Klage in Namen E. F. G. der Schultheiß vor der Cantzley verrichten
sollen. Über diese Verfahrensfehler hinaus (zu denen auch gehöre, dass man mit dieser
Person die Tortur alzufrue vorgenommen habe) sei auf den guten Leumund der
beschuldigten Familie zu verweisen. Man habe weder von den jetzt verhafteten
Personen noch von dero Voreltern [...] in hiesiger Statt niemalen das geringste, so zu
einem ungleichen Verdacht Ursach geben möchte, gehört, sondern könne nur von
ihrem ufrichtigen Wandel[] Zeugnis geben. Das zeige sich auch darin, dass der
Weißgerberin und ihrem Vater bei früheren Verdächtigungen die Haft jedes Mal ihrer
befundnen Unschuld halber [...] wieder erlassen werden musste.

Dieses Bild der braven Untertanen kontrastiert der Untervogt rhetorisch geschickt
mit der fragwürdigen Erscheinung der Gegenseite, wo sich Personen von moralisch
höchst zweifelhaftem Ruf tummelten. Zu nennen seien hier der seines Dienstes unehrenhaft
entlassene und in Reichsacht befindliche Ex-Oberamtmann Schwegler
sowie sein untüchtigfj Eheweib, das auch sonsten von schlechten Ehren sei. Ebenso

315 Wie Anm. 314.

316 StAS, Hol, T 7, Nr. 933: Verschiedene Criminalia (Hier: 9.9.1654, fol. 81ff).
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